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Das Prinzip Uli Hoeneß

Das Prinzip Uli Hoeneß

Titel: Das Prinzip Uli Hoeneß
Autoren: Christoph Bausenwein
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seinem Amtsantritt als Bayern-Präsident war zu bemerken, dass ihn der Abstand zum früher oft sehr verbissen geführten Tagesgeschäft offensichtlich entspannter hat werden lassen. Von daher ist nicht auszuschließen, dass sich Uli Hoeneß als Präsident noch einmal neu erfindet – als eine altersweise, moderat ehrgeizige, mild-souveräne Patriarchenfigur.
    Der Zerrissene
    Sein großes Ziel, die Bayern als Europas Nummer eins zu etablieren, hat Uli Hoeneß nicht erreicht. Aber während er dorthin strebte, konnte er dennoch, eine Nummer kleiner, eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte schreiben: Er hat den FC Bayern zu einem permanenten Kandidaten für die besten acht Teams der Champions League geformt, der durchschnittlich in jedem achten Jahr mit etwas Glück eine Finalchance bekommt; in Deutschland sind die Münchner zum unumstrittenen Branchenführer geworden, und damit schenkte Uli Hoeneß allen Fußballenthusiasten zwischen Alpen und Nordsee eine Konstante, durch die das von Polarisierungen abhängige Fußballtheater – im Bösen wie im Guten, im Ärger wie in der Freude – erst so richtig funktioniert. Und während er den FC Bayern in der Bundesliga als eine in Serie siegende Dauerprovokation etablierte, ist es ihm gleichzeitig gelungen – und dies ist sicher seine bewundernswerteste Leistung –, ein in der Fußballbranche einzigartiges Beispiel für wirtschaftlichen Erfolg zu schaffen: In kaufmännischer Hinsicht ist der FC Bayern tatsächlich Europas Nummer eins.
    Die Erklärung für diese Erfolgsgeschichte muss man wohl im Charakter des Uli Hoeneß suchen, der widersprüchliche Eigenschaften in eigentümlicher und unverwechselbarer Weise in sich vereinigt. Und gerade in diesem Zusammenwirken des scheinbar Unvereinbaren muss man wohl den Kern des »Prinzips Uli Hoeneß« sehen. Der Macher des FC Bayern hat sich in seinem Leben an zahlreichen Synthesen versucht: Er hat den unstillbaren und übertriebenen Ehrgeiz des Aufsteigers an die realistisch-pragmatische Machbarkeitsperspektive des gediegenen Mittelständlers gekoppelt und auf diese Weise den Erfolg ohne riskantes Vabanquespiel auf Dauer gestellt; er hat mit visionärem Innovationswillen die Vermarktungsmöglichkeiten im Fußball neu ausgelotet, dabei aber immer auch den puren Sport und die traditionelle Fankultur als nicht hintergehbare Werte verteidigt; er hat sich als temperamentvoller Siegertyp mit selbstherrlicher Gewinner-Mentalität immer angriffslustig gezeigt, konnte das aber stets verbinden mit Werten wie Vereinstreue und Engagement für die Schwachen. Am typischsten für Uli Hoeneß ist aber wohl die Melange aus Geschäftssinn und Sentimentalität. Er zeigte sich als kühler Betriebswirtschaftler und cleverer Taktiker der Macht, seine eigentliche Antriebskraft blieb aber immer die authentische und mit allen Gefühlsfasern gelebte Leidenschaft für das Spiel.
    Das gesamte Denken, Handeln und Fühlen des Bayern-Managers wirkt wie ein Versuch, den in den letzten 30 Jahren immer schärfer hervortretenden Widerspruch zwischen dem kommerzialisierten Showbetrieb und der althergebrachten Fußballkultur in sich zu vereinigen und auszuhalten. Als Mensch gewordenes Symbol des zur »Geldmaschine« gewordenen Profizirkus ist er gleichzeitig einer der aufrichtigsten Mahner dafür geblieben, dass der Fußball über allen Vermarktungszwängen seine Seele nicht verlieren darf. Es ist ein schwieriger Spagat, den er sich zur Lebensaufgabe gemacht hat. So wenig außer Zweifel steht, dass sich Uli Hoeneß immer als einer zeigte, der das Auseinanderstrebende im modernen Profifußball zusammenbringen will, so sehr muss zugleich bezweifelt werden, ob dieser Kraftakt auf Dauer gelingen kann. Wie soll es möglich sein, einerseits den Fußball mit allen nur denkbaren Mitteln und auf alle nur möglichen Weisen zu vermarkten, und andererseits gleichzeitig seine Seele – die Schönheit des Spiels an sich und die Reinheit der parteiischen Fanempfindung – zu bewahren? Hoeneß zeigte sich oft genug selbst zerrissen. Unermüdlich pushte er die Marketing-Maschinerie und zugleich ekelte es ihn vor den Konsequenzen seines Tuns. Der streng rechnende Kaufmann Hoeneß war vergnügt, wenn die Kasse klingelte, den romantisch fühlenden Bayern-Fan Hoeneß aber schauderte es doch ein wenig, wenn die VIPs in den Stadionlogen über dem Delikatessenverzehr nicht nur das Mitfiebern, sondern oft sogar das ganze Spiel vergaßen. Regelrecht angewidert zeigte er sich von der
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