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Das Prinzip Uli Hoeneß

Das Prinzip Uli Hoeneß

Titel: Das Prinzip Uli Hoeneß
Autoren: Christoph Bausenwein
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der rationalen Herrschaft angewandt, sondern wohl auch innovative Vermarktungsstrategien entworfen. Und wahrscheinlich hätte er, der passionierte Moralphilosoph, sogar versucht, Papst zu werden, um seinen Predigten ein angemessenes Podium zu verschaffen. So wie Leo X., bürgerlich Giovanni de Medici, der ein derart glühender Anhänger des Calcio war, dass er selbst im Vatikan nicht auf ihn verzichten wollte und auf der Piazza des Belvedere eine pompöse Inszenierung der Ballkünstler veranlasste.
    Da die Tradition des italienischen Calcio im 17. Jahrhundert abbrach, wurde der Fußball erst über den Umweg England und dann ab dem Ende des 19. Jahrhunderts als Arbeitersport weltweit populär. Und so wurden keine Fürsten und Päpste, sondern ehrgeizige Unternehmer zu den Förderern und Schirmherren des Spiels. Leute also vom Schlag eines Uli Hoeneß, die nicht der Glamour adliger Prachtentfaltung umweht, sondern der Stallgeruch des Kleinbürgertums. Der wie ein mittelständischer Patron agierende Manager des FC Bayern schaffte es denn auch nie, den Duft der großen weiten Welt nach München zu transportieren. So intelligent er den Verein vermarktete, so sehr er ihn medial aufrüstete – er blieb immer ein besserer Handwerksbetrieb. Uli Hoeneß legte nie die Verbissenheit des Aufsteigers ab – die Nonchalance des Könners, die einen Beckenbauer trotz seiner chaotischen Aussagen so unwiderstehlich macht, besaß er nie. Nur Beckenbauer hat es geschafft, den Charme der Bourgeoisie zu kultivieren, ansonsten pflegte man in der Führungsetage des FC Bayern eine Mentalität, die eher für den Stammtisch der Metzgerinnung taugt. Hoeneß’ schwäbischer Sparsinn hat die Bayern zwar einerseits vor dem finanziellen Ruin bewahrt, andererseits aber ist darüber der Anspruch, den europäischen Fußball zu dominieren, zwischenzeitlich in weite Ferne gerückt. Gemessen an seinem Anspruch, den FC Bayern dauerhaft zur europäischen Nummer eins des Fußballs zu machen, kann man den Manager Uli Hoeneß als einen Gescheiterten betrachten. Zwar ist auch die internationale Bilanz der Bayern aller Ehren wert, zum Maß aller fußballerischen Dinge aber – so wie etwa der FC Barcelona 2008/09 – wurden sie in der Ära Hoeneß nie. Und auch im Klang des Namens und im Flair blieben sie bis zu seinem Abschied im Jahr 2009 hinter Klubs wie ManU, Barca und dem Vorbild Real Madrid zurück. Dass sie dann ausgerechnet in jener Saison 2009/10, während der Hoeneß sein Dasein als »Frontmann« aufgab, ihren Ruf mit zugleich erfolgreichen und ästhetisch anspruchsvollen Vorstellungen enorm aufpolieren konnten, mag man als Ironie des Schicksals interpretieren.
    Uli Hoeneß war nicht nur der ehrgeizige und talentierte Sportler und der in der elterlichen Metzgerei am Ulmer Eselsberg zur Sparsamkeit erzogene Geschäftsmann, er war auch immer schon ein Mensch mit einem ausgeprägten Willen zur Macht: einer, der nicht nur nach Bewunderung und Unabhängigkeit strebte, sondern vor allem Bestimmer sein wollte. Das Medium, diesen Aspekt seines Charakters auszuleben, war der FC Bayern. Und als Macher des FC Bayern neigte er dazu, sich in seinem Machtstreben zu große Ziele zu setzen. Die Visionen, die Uli Hoeneß antrieben, erwiesen sich im Vergleich zu den Möglichkeiten des Vereins regelmäßig als überzogen, und ebendies entwickelte sich zu seinem Trauma. Manchmal wirkte er geradezu rührend, wenn er allen Realitäten zum Trotz seine Bayern großredete, und zuweilen schien er hart am Rande des Größenwahns, wenn er darauf beharrte, dem besten Klub Europas vorzustehen. Psychologen sind davon überzeugt, dass die Nichterfüllung unrealistischer Vorstellungen unmittelbar in ein aggressives Verhalten mündet. Und vielleicht besteht in diesem Sinne auch ein Zusammenhang in der Seele des Bayern-Managers: Zwischen dem vergeblichen Festhalten an dem Anspruch, Fußball-Europa von der Spitze aus zu regieren, auf der einen Seite, und dem verkrampften Stress des Erfolgssüchtigen und den furchterregenden Wutausbrüchen der »Abteilung Attacke« auf der anderen. Uli Hoeneß kann von daher, trotz aller Erfolge, als ein Mann verstanden werden, der sich im Zustand permanenten Scheiterns sieht. Sein vergebliches Streben nach dem fußballerischen Imperium Bavariae ließ ihn interessant und streitbar werden, ab und an aber gab er sich auch der Lächerlichkeit preis. Wer ihn über die Jahre beobachtete, gewann stets den Eindruck, ein wenig Lockerheit täte ihm gut. Seit
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