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Das Prinzip Uli Hoeneß

Das Prinzip Uli Hoeneß

Titel: Das Prinzip Uli Hoeneß
Autoren: Christoph Bausenwein
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den Mann auf der Trainerbank – wirklich einer mit Leib und Seele. Das enorme Engagement, das der Manager für seine Bayern an den Tag legte, scheint kaum denkbar ohne solchen Fanenthusiasmus. Und dass er dabei nie die treuen Anhänger mit dem kleinen Geldbeutel vergaß, empfand er als eine freiwillige, im heutigen Kommerzgeschehen keineswegs selbstverständliche Dreingabe. Uli Hoeneß ist wohl auch deshalb bei dieser denkwürdigen Jahreshauptversammlung im November 2007 so ausgerastet, weil er einfach entsetzt darüber war, dass einige Fans dieses »Geschenk« überhaupt nicht würdigen wollten.
    Allein: Den Widerspruch zwischen Geldmacherei und Fanromantik konnte auch ein Uli Hoeneß nicht auflösen, und das war ihm selbst nur allzu schmerzhaft bewusst. Vielleicht war genau dies der ausschlaggebende Grund für sein lautes Brüllen. Der Wutausbruch zeigt sich somit als Ausdruck eines grundsätzlichen Dilemmas aller modernen Profiklubs: Sie können den schwierigen Spagat zwischen urtümlicher Vereinstreue und knallhartem Geschäft kaum mehr bewältigen. In Zeiten, in denen sich die früher einmal vorhandene Einheit zwischen Fans und Spielern kaum mehr herstellen lässt, in denen die erfolgreichen Klubs nur noch zu einem kleinen Teil von den Eintrittsgeldern der »normalen« Zuschauer leben, erleben sich die echten Fans immer mehr als Enteignete. Je mehr die Unterhaltungsmaschinerie Fußball mit Geld geölt werden muss, desto weniger spielen idealistische Gefühle eine Rolle – und werden eben genau deswegen schmerzlich vermisst.
    Vielleicht muss man darüber aber gar nicht jammern. Vielleicht sollte man das, was nicht zu ändern ist, einfach hinnehmen und zum Feiern übergehen. Wer für sieben Euro Champions League sehen will, so viel steht fest, der muss akzeptieren, dass das dafür nötige Geld woanders hergeholt wird. Und nicht zuletzt geht es im Verhältnis zwischen Logen und Stehplätzen auch um gegenseitigen Respekt, wie Uli Hoeneß einmal betonte: Jeder sollte – natürlich im Rahmen des Erlaubten – einen Besuch im Stadion so gestalten können, wie er will.
    Die Sehnsucht nach Heimat
    Eine Konsequenz des Hoeneß-Ausbruchs war die Gründung des Arbeitskreises Fandialog. 30 Vorsitzende verschiedener Fangruppierungen trafen sich mit dem von manchen Fanklubs abschätzig als »Kundenbetreuer« betitelten Fanbeauftragten Raimond Aumann. »Am wichtigsten ist, dass man miteinander, nicht übereinander spricht«, meinte der, konnte indes zur Hebung der Stimmung in der Arena auch keine revolutionären Vorschläge unterbreiten. Die ließ weiter zu wünschen übrig und blieb eines Rekordmeisters unwürdig. Die Bayern-Fans wurden von den Gästen wegen der mauen Atmosphäre sogar regelrecht verspottet.
    »Es ist einfach traurig, wie wenig da los ist«, konstatierte der Fansprecher Thomas Emmes ein Jahr nach Hoeneß’ Wutrede. Es hätte also vor der anstehenden Hauptversammlung des Jahres 2008 weiterhin Grund genug gegeben für eine ähnliche Fankritik wie im Vorjahr. Uli Hoeneß, der es sich mit den Fans nicht endgültig verderben wollte, versprach schon mal vorsorglich: »Dieses Mal raste ich nicht aus.« Er rastete dann vor 1.700 am Nockherberg versammelten Mitgliedern nicht nur nicht aus, sondern schwieg – und ließ still genießend Lobreden von Beckenbauer und Rummenigge über sich ergehen. Uli Hoeneß sei der »erste Fan des Vereins«, die »Seele des FC Bayern«, wärmte Rummenigge althergebrachte Schmucktitel des Managers auf und erntete lang anhaltenden Applaus. Und diesmal meldete sich auch kein Kritiker mit langen Jammertiraden, sondern ein begeisterter Bayern-Hoeneß-Fan mit einem kurzen, aber deutlichen Bekenntnis: »Ich liebe Sie!«, rief er dem Manager zu, und der grinste zufrieden, ein paar Freudentränen kullerten über seine Wangen. Später sprach der über den Schellenkönig Gelobte dann doch noch, hielt sich aber kurz: »Es ist schön, dass man so viel Zuspruch und Zustimmung bekommt.«
    Zustimmung trotz mangelnder Stimmung, lautete also das Ergebnis, und die wirklich drängenden Fragen blieben offen. Denn das Problem, das da im Stimmungszwist zur Sprache gekommen war, hatte ja nicht nur mit der Lautstärke zu tun. Es handelte sich im Kern um die grundsätzliche Frage, wie eine traditionelle Fankultur unter Bedingungen totaler Kommerzialisierung bewahrt werden kann – und damit eben auch so etwas wie die Seele des Fußballs. Willi Lippens, in den siebziger Jahren einer der letzten
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