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Das Prinzip Uli Hoeneß

Das Prinzip Uli Hoeneß

Titel: Das Prinzip Uli Hoeneß
Autoren: Christoph Bausenwein
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Gefühl, Zuneigung« von anderen Kunden unterschieden, seien enttäuscht, da man sich vom Verein aus zu wenig um sie kümmere, und das sei wohl mit ein Grund, warum sie kaum noch was von sich hören ließen. Bayern-Fan Ralf Seeliger hatte die Dauer von Fangesängen sogar gestoppt: lediglich sechs Minuten gegen Frankfurt und ganze acht Minuten im UEFA-Cup gegen die Bolton Wanderers. Er sage es nicht gern, so Seeliger weiter, aber bei den »Blauen«, den Sechzigern, sei mehr los, wenn sie mal die Hütte voll hätten. Die Wortmeldung endete mit dem Appell an »den Uli«, ein bisschen mehr Augenmerk auf die Stimmung in der Kurve zu haben.
    Uli Hoeneß hatte die von Gejohle begleitete Wortmeldung schweigend, aber mit steigender Anspannung und zunehmender Gesichtsröte verfolgt. Nun platzte ihm der Kragen. Es donnerte eine Antwort aus ihm heraus, die als »Wutrede« berühmt werden und schon bald einen Kultstatus erreichen sollte wie einst Giovanni Trapattonis legendäre »Habe fertig!«-Ansprache. Auf englischen Internetseiten wurde sie kurz und bündig mit den Worten vorgestellt: »Uli Hoeness explodes!« Der Manager zeigte sich tief getroffen, seine Mimik verriet in eigentümlicher Weise zugleich Empörung und Wut, schließlich war er kaum mehr zu halten. Zorn rötete sein Gesicht, er schrie mit sich überschlagender Stimme, er bebte, ruderte mit den Armen und durchstach immer wieder mit dem Zeigefinger drohend die Luft. Beckenbauers schüchterner Versuch, ihn zu stoppen, verpuffte ohne jede Wirkung.
    »Das hört sich wunderbar an«, hob der oberste Bayern-Fan an und polterte: »Das ist eine populistische Scheiße! Das muss ich mal ganz deutlich sagen. So etwa kann ich es mir vorstellen, als es vor zehn Jahren bei den Sechzgern übers Grünwalder Stadion ging. Da wurde auch diese alte schöne Welt, ›lieber geh’ ich in die Regionalliga, und ich geh’ wieder nach Weinheim, und ich will auch nicht mehr gegen Chelsea spielen‹. Dann gehen wir doch wieder dahin. Dann müsst ihr euch aber einen neuen Vorstand holen. Mit uns eben nicht. Eure Scheißstimmung … Da seid ihr doch verantwortlich dafür und nicht wir! Das ist doch unglaublich! Was glaubt ihr eigentlich, was wir das ganze Jahr über machen, damit wir euch für sieben Euro in die Südkurve gehen lassen können? Was glaubt ihr eigentlich, wer euch alle finanziert? Die Leute in den Logen, denen wir die Gelder aus der Tasche ziehen! Ohne die hätten wir nämlich keine Allianz Arena. Da würdet ihr nämlich jetzt wieder in Schnee und Eis spielen. Da würden wir gegen Bolton Wanderers 12.000 Zuschauer haben. Dann müsst ihr diesen Verein euch suchen, der demnächst wieder in der dritten Liga spielt. Wenn ich dann höre, bei 1860 ist das alles so toll. Da ist gar nichts toll, der Verein ist mehr oder weniger pleite, und wir haben ihn am Leben erhalten. Und wer ist schuld dafür? Fans, die von gestern leben. Ihr und wir, wir werden Ebay nicht verändern. Ja, das muss ich euch mal sagen. Ich brauche Ebay auch nicht, und Google auch nicht. Und trotzdem werd’ ich’s nicht verhindern. Was glaubt ihr eigentlich, wer ihr seid? Es kann doch nicht sein, dass wir hier kritisiert werden dafür, dass wir uns seit vielen Jahren den Arsch aufreißen, dass wir dieses Stadion hingestellt haben? Aber das hat 340 Millionen Euro gekostet – und das ist nun mal mit sieben Euro in der Südkurve nicht zu finanzieren!«
    Innerhalb kürzester Zeit konnte man bei dieser Veranstaltung drei völlig unterschiedliche Gesichter des FC Bayern sehen: den ausgeglichenen und souveränen Großverein, personifiziert durch den lässig-nonchalanten Beckenbauer; dann den machtbesessenen, eiskalten Erfolgsklub, repräsentiert durch Karl-Heinz Rummenigge, den »Technokraten mit Eiswürfelaugen« (»Süddeutsche«); schließlich die leicht erregbare Herzblut-Gemeinschaft, symbolisiert durch den ebenso sentimentalen wie cholerischen Uli Hoeneß. Der Manager, konstatierte die »Süddeutsche«, habe gewirkt »wie einer, den es eigentlich nicht mehr geben kann. Einer wie Strauß. Oder Wehner. Beiden, sagt Hoeneß, hat er früher gern zugehört bei Übertragungen aus dem Bundestag. Er mag diejenigen, die sich etwas zu sagen trauen.«
    Aber hier ging es sicher um mehr als nur um den Mut zu deutlichen Worten. Der da sprach, der war vor allem enttäuscht und in all seiner Wut auch hilflos – so wie ein Vater, der fassungslos registrieren muss, dass die aufopferungsvolle Sorge für die Seinen nicht genügend
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