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Das Phantom von Manhattan - Roman

Titel: Das Phantom von Manhattan - Roman
Autoren: Frederick Forsyth Wulf Bergner
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erneut auf. Diesmal bekam ich es nicht zu Gesicht, aber ein Kollege sah es. Die Beschreibung war identisch: eine einsame Gestalt mit einer Maske vor dem Gesicht, die vom Dach eines Lagerhauses aus die Ankunft der Primadonna beobachtete. Auch diesmal begriff ich den Zusammenhang nicht. Wie sich später herausstellte, hatte er sie offenbar herübergeholt, ohne sich um Hammersteins Einwände zu kümmern. Aber warum?
Das bekam ich später heraus - aber da war es schon zu spät.
    Ich lernte die Lady wie gesagt kennen; sie schien mich zu mögen und lud mich in ihre Suite ein, um mir ein Exklusivinterview zu gewähren. Dort packte ihr Sohn ein anonymes Geschenk aus, eine Spieluhr in Form eines Affen. Als Mme. de Chagny die Melodie hörte, die er spielte, war sie wie vom Blitz getroffen. Sie flüsterte: »›Masquerade‹. Vor dreizehn Jahren. Er muß hier sein.« Und trotzdem kam mir noch immer keine Erleuchtung.
    Sie wollte unbedingt herausfinden, woher der Affe stammte, und ich vermutete, er sei aus einem Spielzeugladen auf Coney Island. Zwei Tage später fuhren wir alle gemeinsam dorthin: Ich spielte für die Gruppe den Führer. Wieder passierte etwas sehr Seltsames, und wieder schrillten bei mir keine Alarmglocken.
    Die Gruppe bestand aus der Primadonna, ihrem Sohn Pierre, dessen Hauslehrer Pater Joe Kilfoyle und mir.
    Da Spielsachen mich nicht interessierten, vertraute ich Mme. de Chagny und ihren Sohn dem Funmaster an, der den Vergnügungspark leitete. Ich verzichtete darauf, den Spielzeugladen selbst zu betreten. Das hätte ich jedoch tun sollen, denn wie sich herausstellte, war der Mann, der den Gästen das reichhaltige Sortiment vorführte, kein anderer als der Mann, der sich Darius nannte und den ich vor einigen Wochen bei der Zustellung des Briefs in dem Hochhaus kennengelernt hatte. Von dem Funmaster, der
immer in der Nähe gewesen war, erfuhr ich später, dieser Mann habe ihm zwar seine Dienste als Experte für Spielzeug angeboten, aber in Wirklichkeit nichts anderes getan, als den Jungen unauffällig nach seinen Familienverhältnissen auszufragen.
    Jedenfalls machte ich mit dem katholischen Priester einen Strandspaziergang, während die Vicomtesse und ihr Sohn sich die Spielsachen im Laden anschauten. Offenbar gab es ein ganzes Regal mit Spielzeugaffen, von denen jedoch keiner die eigenartige Melodie konnte, die der erste in ihrer Suite im Waldorf-Astoria gespielt hatte.
    Dann wollte Mme. de Chagny auf Drängen des Funmasters das Spiegelkabinett besichtigen. Auch dort ging ich nicht mit, weil mich niemand dazu aufgefordert hatte. Schließlich schlenderte ich zum Vergnügungspark zurück, um nachzusehen, ob die Gruppe ihren Besuch beendet hatte und nach Manhattan zurückkehren wollte.
    Ich sah, wie der irische Priester den Jungen zu der Kutsche, die wir uns an der Hochbahnstation genommen hatten, zurückbegleitete, und bemerkte - allerdings nur am Rande -, daß neben ihr eine weitere Kutsche stand. Das war eigenartig, denn der Vergnügungspark war ansonsten menschenleer.
    Ich befand mich auf halber Strecke zwischen dem Spiegelkabinett und den Ausgängen, als eine Gestalt auftauchte, die wie in Panik auf mich zugerannt kam. Das war Darius - nach außen hin der Präsident des Konzerns, dessen wahrer Boß der geheimnisvolle Mann mit der Maske zu sein schien. Ich glaubte, er
laufe auf mich zu, aber er hetzte an mir vorbei, ohne mich zu bemerken. Er kam aus dem Spiegelkabinett. Als er an mir vorbeihastete, rief er etwas, das nicht für mich, sondern für den Seewind bestimmt zu sein schien. Ich konnte es nicht verstehen. Es war nicht Englisch, aber da ich schon immer ein gutes Ohr für Laute hatte - wenn auch nicht immer für ihre Bedeutung -, holte ich meinen Bleistift heraus und notierte mir, was ich gehört zu haben glaubte.
    Später, viel später und viel zu spät, fuhr ich nach Coney Island und sprach nochmals mit dem Funmaster, der mir sein Journal zeigte, in dem er alles festgehalten hatte, was im Spiegelkabinett in meiner Abwesenheit geschehen war. Hätte ich diese Aufzeichnungen nur früher gesehen, hätte ich begriffen, was vor sich ging, und etwas tun können, um die späteren Ereignisse zu verhindern. Aber ich bekam das Journal nicht zu sehen und verstand keine drei Worte Lateinisch.
    Nun, jungen Leuten wie Ihnen mag das seltsam erscheinen, aber damals herrschte eine ziemlich strenge Kleiderordnung. Man erwartete von jungen Männern, daß sie stets dunkle Anzüge, oft mit Weste, und dazu brettsteif
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