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Das Phantom der Freiheit

Das Phantom der Freiheit

Titel: Das Phantom der Freiheit
Autoren: Kurt Luif
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Aber sie hatte auch ein Kind.«
    Roderick erhob sich stirnrunzelnd. »Ich verstehe nicht, Doktor«, sagte er. »Wenn das wahr ist, warum ist es nicht bekannt?«
    »Weil es immer möglich ist, zu bezweifeln oder als unglaubwürdig anzusehen, was nicht mit der vorgefaßten Meinung übereinstimmt. In diesem Fall wurde das unglückliche Mädchen, dessen Name uns nicht bekannt ist, mißhandelt und seine Nabelmarkierung durch das Ausdrücken brennender Zigaretten ausgelöscht. Der Vergleich ihrer Fingerabdrücke ergab, daß sie in der zentralen Kartei als Androide geführt wurde. Aber es wurde behördlich festgestellt, daß ein Irrtum vorliegen müsse und daß die Frau, indem sie ein Kind zur Welt brachte, den Beweis menschlicher Abkunft geliefert habe.
    Vor ungefähr sechzig Jahren bekam ein androides Mädchen, das in einer Wäscherei arbeitete, ein Kind, und wieder wurde entschieden, daß dieses Mädchen mit einem Androiden verwechselt worden sei und in Wirklichkeit menschlicher Abkunft sein müsse.
    Und ein weiterer Fall, der erst fünfundzwanzig Jahre zurückliegt. Auf die Anzeige eines Nachbarn exhumierte die Polizei einen in einem Garten vergrabenen toten Säugling, und ein androides Ehepaar wurde deswegen vor Gericht gestellt. Aber da sie Androiden waren, konnte es offensichtlich nicht ihr Kind sein, und sie wurden mangels Beweisen freigesprochen.«
    Roderick sprang wieder auf. »Wenn Sie dies alles wußten«, fragte er Dr. Smith, »warum behielten Sie es dann bis jetzt für sich?«
    »Vor fünf Jahren«, sagte der Arzt, »schrieb ich einen Artikel über den Gegenstand. Ich schickte ihn allen medizinischen Fachzeitschriften. Eine druckte ihn ab, und ich bekam ein halbes Dutzend Briefe von Leuten, die interessiert waren. Dann nichts mehr. Man muß zugeben«, fügte er hinzu, »daß nicht einer der angeführten Fälle als positiver wissenschaftlicher Beweis dafür akzeptiert würde, daß Androiden fortpflanzungsfähig sind. Die Tatsachen wurden der Nachwelt von Leuten überliefert, die nicht an sie glaubten. Aber ...«
    »Aber«, sagte Alison ein paar Minuten später, als Dr. Smith geendet hatte, »angesichts dieser geschilderten Fälle kann kaum behauptet werden, ich wisse, daß ich kein Kind haben kann. Es mag unwahrscheinlich sein; aber wie unwahrscheinlich ist die Empfängnis für die durchschnittliche menschliche Frau? Ich glaube, es wird nicht nötig sein, darüber statistisches Material vorzulegen. Jeder weiß, daß nur wenige Ehen mit Kindern gesegnet sind; aber diejenigen, die Kinder haben können, haben meistens mehrere.
    Nun möchte ich einen neuen Gesichtspunkt vorbringen. Unter Menschen gilt es nicht als Scheidungsgrund, wenn die Frau unfruchtbar ist, ohne es zu wissen. Ein Scheidungsgrund ist erst gegeben, wenn sie es bei der Eheschließung wußte, aber verheimlichte. Wenn sie beispielsweise eine Operation hatte, die es ihr unmöglich macht, Kinder zu bekommen, und diesen Sachverhalt verschweigt. Da ich keine solche Operation hatte und das auch beweisen kann, ist es meiner Auffassung nach nicht möglich, mir zu unterstellen, ich hätte von meiner Unfruchtbarkeit gewußt.«
    »Ohne dem Urteil in irgendeiner Weise vorgreifen zu wollen«, sagte Richter Collier befriedigt, »kann ich hier und jetzt sagen, daß die Dame in diesem Punkt recht hat ...«
    »Ich bitte, die Verhandlung zu vertagen«, sagte Roderick. »Ich begründe meinen Antrag mit der Notwendigkeit, die von Doktor Smith angeführten Fälle zu überprüfen. Es wird unter Umständen erforderlich sein, zusätzliche Gutachten von Genetikern einzuholen.«
    »Dem Antrag wird stattgegeben«, sagte der Richter.
    Es gab ein Gemurmel unter den Zuhörern, das rasch im Füßescharren des allgemeinen Aufbruchs unterging. Die Reporter drängten bereits zum Ausgang. Roderick und Alison standen beide und starrten einander aus der Entfernung an.
     
    Die Unterbrechung der Verhandlung gab den Zeitungen Gelegenheit, sich ausführlich über das Für und Wider der Angelegenheit zu verbreiten. Kaum ein Artikel gab sich offen pro- oder antiandroid; die Gemüter erhitzten sich vornehmlich an der Art der Beweisführung.
    Der Tenor war, daß Alison Liffcom sich als eine gerissene Anwältin in eigener Sache erwiesen habe, die sich darauf verstehe, Trümpfe hervorzuzaubern und bis zur Grenze des Möglichen zu gehen. Sie habe erkannt, daß es ausreichend sei, Zweifel an der Unfruchtbarkeit von Androiden auszusäen, um dem Prozeß eine Wendung zu ihren Gunsten zu
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