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Das Phantom der Freiheit

Das Phantom der Freiheit

Titel: Das Phantom der Freiheit
Autoren: Kurt Luif
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verleihen.
    Aber das bedeute natürlich nicht, daß Androiden Kinder zeugen oder gebären könnten. Das Ganze sei nichts weiter als ein formaljuristischer Trick, wenn auch ein sehr wirksamer. Mit der gleichen Methode könne man Rechtsgründe konstruieren, die für die Existenz von Werwölfen oder Geistererscheinungen sprächen ... Dr. Smith, ein zweifellos ehrenwerter Mann von aufrichtiger Überzeugung, habe sich von ein paar Fehlern irreführen lassen. Es müsse zu denken geben, daß keiner der angeführten Fälle wissenschaftlich einwandfrei bewiesen werden könne. Auch müsse Dr. Smith sich die Frage gefallen lassen, warum es bei einer angenommenen Fruchtbarkeit der Androiden nicht häufiger zu Empfängnissen komme. Vier oder fünf mehr oder weniger obskure Fälle, verteilt über die letzten hundertfünfzig Jahre, seien kaum genug, seiner Theorie Gewicht zu verleihen. Daß künstlich-biologisch erzeugte Menschen empfangen könnten, sei theoretisch ebenso glaubhaft wie das Gegenteil. Aber warum dann nur eine Empfängnis auf fünf oder zehn Millionen? Selbst die radioaktiv geschädigte und weitgehend sterile Menschheit bringe es im Durchschnitt auf ein Verhältnis von einer fruchtbaren auf sechs unfruchtbare Ehen.
     
    »Wenn Sie keine Einwände haben«, sagte Roderick, höflich zum Richtertisch gewandt, »würde ich diese Verhandlung gern zu einem Ermittlungsverfahren machen. Die zwei Wochen seit der letzten Sitzung haben mir Gelegenheit gegeben, neue Erkenntnise zu gewinnen. Daraus ergeben sich Gesichtspunkte, die von allgemeinem Interesse sein dürften. Sagen wir ruhig, wenn Sie so wollen, daß meine Frau ihren Widerspruch formaljuristisch erfolgreich vertreten hat. Es wird nicht möglich sein, ihr mit juristischen Mitteln nachzuweisen, daß sie vor ihrer Eheschließung von ihrer Unfruchtbarkeit wußte. Das sehe ich ein. Lassen wir die Scheidung aus dem Spiel. Das ist nicht der Punkt, auf den es ankommt.«
    »Ich dachte, Sie hätten den Prozeß wegen der Scheidung angestrengt«, sagte Richter Collier konsterniert. »Das ist der Grund, warum wir hier sind, nicht wahr?«
    »Es war der Grund«, sagte Roderick ungeduldig. »Jeder kann sehen, daß es jetzt auf das ankommt, was Doktor Smith vorgetragen hat. Gehen wir der Frage nach, ob irgendwelche Aussichten bestehen, daß meine Frau ein Kind bekommt.«
    »Ein Gerichtssaal ist kaum der geeignete Ort, das zu klären«, grollte der Richter. »Aber bitte, ich will Ihrer Methode der Wahrheitsfindung nicht im Weg stehen, vorausgesetzt, Sie fassen sich kurz.«
    »Danke«, sagte Roderick. »Ich meine hier nicht die Frage, ob meine Frau Alison Kinder haben wird. Ich meine die Frage, ob es prinzipiell möglich ist. Wir alle fragen uns, warum es so selten vorkommt, wenn es möglich ist. Unglücklicherweise hat es bisher keine wirklichen Anhaltspunkte dafür gegeben, daß es möglich ist, und ich wußte nichts davon. So war ich nie auf die Idee gekommen, an dem Problem zu arbeiten. Jetzt habe ich es getan. Wenn Androiden Kinder haben können, dann muß die Fragestellung lauten: Was hindert sie daran?«
    Er blickte vom Richter zu Alison und nickte ihr zu. »Wir haben hier meine Frau«, fuhr er fort. »Versuchen wir herauszufinden, was sie daran hindert. Was ich suche, muß im Leben eines jeden Androiden, ob männlich oder weiblich, eine Rolle spielen. Erzähl uns einmal, Alison, bei welchen Anlässen du dir des Unterschiedes bewußt wurdest – wann du zu fühlen bekamst, daß du ein Androide bist. Geh in deiner Erinnerung zurück. Und«, fügte er hinzu, »richte deine Worte an den Herrn Vorsitzenden. Wir wollen diese Sache so unpersönlich wie möglich machen.«
    Alison sammelte ihre Gedanken. Sie hatte kein Verlangen, in die Vergangenheit zurückzublicken; sie wollte in die Zukunft blicken, die auf einmal ihre Düsternis verloren hatte und von neuer Hoffnung erhellt wurde. Aber da sie sah, daß alle auf sie warteten, zwang sie sich zur Konzentration.
    »Ich wuchs in der New Yorker Androidenkrippe auf«, sagte sie. »Dort gab es keine Unterschiede. Einige von den Kindern redeten manchmal davon, wieviel besser sie daran sein würden, wenn sie richtige Menschen wären. Aber zweimal, als die Krippe überfüllt war, wurden ich und andere in ein Waisenhaus für menschliche Kinder verlegt. Auch dort gab es keinen Unterschied, außer daß wir anfangs von den Kindern gehänselt wurden.
    In einer Krippe ist es wichtig, daß man niedlich aussieht und einen netten, wohlerzogenen Eindruck
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