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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies
Autoren: Barbara Wood
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die schon so lange in Ägypten herrschten …
    Nefissa wollte nicht an Krieg oder Politik denken. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, daß man »ihren« Offizier aus Ägypten vertrieb. Sie wollte wissen, wer er war. Sie wollte mit ihm reden und … mit ihm schlafen. Aber sie wußte, das war nur ein Traum. Falls jemand ihre heimliche Liebe entdeckte, dann würde Khadija sie streng bestrafen. War nicht Nefissas ältere Schwester Fatima verstoßen worden, weil sie eine schreckliche Sünde begangen hatte? Nefissa wußte nicht, was Fatima getan hatte, aber Khadija hatte ihre Bilder aus dem Photoalbum entfernt, und niemand durfte mehr von ihr sprechen. Wenn Khadija ihrer geliebten ältesten Tochter nicht verzeihen konnte, dann gab es für Nefissa erst recht kein Erbarmen.
    Das verstohlene Treffen ging zu Ende. Er drehte sich – zögernd? – um und verschwand in der Nacht. Nefissas Hände zitterten. Wie sollte sie die Stunden bis zum nächsten Mittag überstehen, bis sich das Ritual hoffentlich wiederholte? Sie war in diesen Mann verliebt und kannte nicht einmal seinen Namen.
    Jemand zog an ihrem Rock. Omar machte sich bemerkbar. »Warte …«, murmelte sie, denn sie wollte die Erregung noch genießen, die der Offizier in ihr ausgelöst hatte, aber ihr kleiner Sohn forderte energisch seine Rechte. Seufzend setzte sie ihn auf den Schoß. Er knöpfte ihr das Mieder auf und begann zufrieden, an der Brust zu trinken.
     
    »Wie geht es ihr?« fragte Marijam und trat an das Bett.
    »Das Kind kann jeden Augenblick geboren werden, wenn Gott es so will, aber es liegt falsch.«
    Khadija griff nach einem Amulett, das sie bereits beim Einsetzen der Wehen neben das Bett gelegt hatte, denn es besaß die besondere Kraft der Sterne. Sie hatte es an sieben aufeinanderfolgenden Nächten vor dem Vollmond auf das Dach gelegt, damit es das Licht der Sterne in sich aufnehmen konnte. Bevor sie Fatheja berührte, nahm Khadija das Amulett in die Hände, um seinen Zauber wirken zu lassen.
    Der Sturm heulte, die Messinglampen schaukelten, und Zou Zou las mit leiser Stimme aus dem Koran: »Es steht geschrieben, daß uns nichts widerfährt, was Gott nicht gewollt hat. ER ist unser Hüter. Nur auf Gott sollt ihr vertrauen.«
    Als Khadija sanft die Hände auf Fathejas Leib legte und dabei Marijam stumm anwies, es ihr gleichzutun, flüsterte die junge Frau: »Mutter …«, ihre fiebrigen Augen glänzten wie zwei schimmernde schwarze Perlen, »wo ist Ibrahim? Wo ist mein Mann?«
    »Ibrahim ist beim König und kann nicht nach Hause kommen.« Es gelang den beiden Frauen, mit sanftem Druck das Kind in die richtige Lage zu drehen, aber sobald sie die Hände zurückzogen, sahen sie, wie sich der Unterleib langsam bewegte und das Baby wieder die Querlage einnahm.
    Als Khadija den angstvollen Blick ihrer Schwiegertochter sah, sagte sie ruhig: »Gott wird uns führen. Wir müssen das Baby so lange in der richtigen Lage halten, bis es geboren ist.«
    Khadija und Marijam brachten das Kind zum zweiten Mal in die richtige Lage. Aber bei der nächsten Wehe drehte es sich hartnäckig wieder quer.
    Da wußte Khadija, was sie jetzt tun mußte. »Bereite Haschisch vor«, sagte sie zu Doreja.
    Marijam legte Fatheja die Hand auf die glühende Stirn und murmelte ein Gebet. Marijam hieß mit Nachnamen Misrachi, das bedeutete auf arabisch »Ägypter«. Die Misrachis lebten schon seit vielen Generationen in Kairo, aber Marijam betete hebräisch, denn sie war Jüdin. Als die Nazis fast bis Alexandria vorgerückt waren, hatten Christen und Muslime die Juden in ihren Häusern versteckt. Marijam und ihr Mann hatten in dem großen Haus neben den Raschids jüdische Familien aufgenommen.
    Sie sah Khadija stumm an. Die beiden Frauen mußten sich nicht mit Worten verständigen. Sie waren Freundinnen und kannten sich so gut, daß sie gegenseitig ihre Gedanken lesen konnten.
    Bald erfüllte der würzige Geruch der Haschischpfeife den Raum. Khadija sprach eine Stelle aus dem Koran, wusch sich dabei Hände und Arme und trocknete sie mit einem frischen Handtuch ab. Das Wissen, auf das sie sich jetzt verließ, stammte von ihrer Schwiegermutter, denn Ali Raschids Mutter war eine Heilerin gewesen. Viele Bräute litten oft in der neuen Umgebung einer anderen Familie, denn sie befanden sich meist in Gesellschaft ihrer Schwiegermutter und bekamen ihren Mann nur selten zu sehen. So geschah es nicht selten, daß die jungen Frauen eher wie Dienstboten und weniger als Familienmitglieder
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