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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies
Autoren: Barbara Wood
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abgekühlt ist, füllst du damit die Flasche«, Amira deutete auf die Babyflasche, »laß ihn so viel und so oft trinken, wie er kann. Fatima, versprich mir, du mußt das auch wirklich tun, denn es ist Gottes Wille. Hast du verstanden? Komm morgen wieder, damit ich deinen Sohn noch einmal untersuchen kann.«
    Amira sah der Fellachin nach, die auf dem staubigen, heißen Weg barfuß hinunter zum Nil ging, während die späte Nachmittagssonne bereits ihre schrägen, noch immer sengenden Strahlen über das Land warf. Amira nahm langsam das Stethoskop ab und schob es in die Seitentasche ihres weißen Arztkittels. Sie bezweifelte, daß die junge Mutter ihre Anweisungen wirklich befolgen würde. Der Aberglaube beherrschte das Leben der Fellachen so sehr, daß Mütter aus Angst vor dem bösen Blick einer neidischen unfruchtbaren Frau ihre Säuglinge nicht zu waschen wagten. Fatima hatte ihren Sohn seit der Geburt nicht ein einziges Mal gewaschen. Das hatten sie erst hier in der Ambulanz und fast gegen den Willen der Mutter getan. Kein Wunder, daß er bald nach der Geburt eine Infektion und Durchfall bekommen hatte.
    Dr. van Kerk trat vor einen Spiegel an der weiß getünchten Wand. Er hing zwischen einem Bild von Ägyptens Präsident Mubarak und einem Kalender mit einem Photo des Assuanstaudamms. Auf dem Kalender war ein Datum eingekreist – ihr Geburtstag. Amira würde bald acht- undvierzig werden.
    Unter eine Ecke des Spiegels hatte sie ein Photo geklemmt: Sie und Greg standen selbstbewußt lächelnd auf dem Pier in Santa Monica und hielten Zuckerwatte in den Händen. Damals feierten sie den Jahrestag ihrer Hochzeit – zwei Fremde, die trotz allem die Hoffnung nicht aufgeben wollten und auf die Liebe wie auf ein Wunder warteten.
    So viele Jahre sind inzwischen vergangen, dachte Amira, und Santa Monica ist auf der anderen Seite der Welt. Es gab keinen Greg mehr, so wie es auch die anderen nicht mehr gab, die ihr einmal begegnet waren und in ihrem Leben eine Rolle gespielt hatten.
    Amira betrachtete sich im Spiegel und schob ein paar blonde Strähnen unter ihren Turban. Diese Kopfbedeckung gehörte zu ihrem »islamischen Gewand«. Sie trug einen hellen pfirsichfarbenen Kaftan mit kunstvoller schwarzer Seidenstickerei auf Ärmeln und Kragen. Der veilchenblaue Turban paßte gut zu ihren hellblauen Augen – »Sie sind so blau wie der Nil bei Sonnenaufgang«, hatte Declan einmal gesagt. Dr. Declan Connor war so ganz anders als Greg. Wo mochte Declan in diesem Augenblick wohl sein? Wie weit war er von ihr entfernt? Wie viele Meilen war er vor ihr geflohen?
    »Doktor!« hörte sie draußen Achmed wieder rufen. Die Fellachen hatten schon lange aufgehört, sie van Kerk zu nennen, denn im Arabischen gab es kein »V«. »Der Wagen kommt hierher. Sie haben eine sehr vornehme Besucherin«, rief der junge Mann, »eine
Lady
! Eine sehr reiche Lady!«
    Amiras Herz begann heftig zu schlagen. Wie hatte Khadija sie nur ausfindig gemacht? Al Tafla war ein winziger Fleck auf der Landkarte. Amira hatte vor sechsundzwanzig Jahren Ägypten verlassen und geschworen, das Land nie wieder zu betreten. Woher wußte Khadija, daß sie zurückgekommen war? Warum hatte Khadija beschlossen, sie nach all den vielen Jahren aufzusuchen?
    Amira blickte sich in der kleinen Ambulanz um, als könnte sie die Antworten auf ihre Fragen dort finden. Aber sie sah nur weiß getünchte Wände, den geputzten Fußboden und die Plakate, auf denen in arabisch stand, wie Krankheiten übertragen wurden. Auf einem sehr alten, vergilbten Plakat versicherte Gamal Abd el Nasser den Ägypterinnen, daß der Koran die Geburtenkontrolle billige. Das Plakat hing neben Amiras Universitätsdiplom aus dem Jahre 1977 , auf dem das Castillo Medical College in Kalifornien ihr den erfolgreichen Abschluß des Medizinstudiums bescheinigte.
    Als sie auf dem Weg Motorengeräusch und Stimmen hörte, holte sie tief Luft und stellte zu ihrer Überraschung fest, daß sie nicht nur aufgeregt war, sondern auch Angst hatte.
    Die große schwarze Limousine rollte im Schrittempo auf die Krankenstation zu. Dahinter folgten in gebührendem Abstand viele Dorfbewohner von Al Tafla. Die Nachricht von der Ankunft der reichen Lady hatte sich in Windeseile verbreitet, und immer mehr schlossen sich neugierig und aufgeregt den anderen an.
    Als der Wagen vor dem kleinen Steingebäude hielt, stieg der Chauffeur aus und öffnete mit einer leichten Verbeugung den hinteren Wagenschlag. Khadija verließ würdevoll
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