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Das Paradies des August Engelhardt

Das Paradies des August Engelhardt

Titel: Das Paradies des August Engelhardt
Autoren: Marc Buhl
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Blick voller Liebe, und eine Frau würde ein Kind dadurch empfangen.
    Das leise Schluchzen kam aus einer der Hütten weiter am Waldrand. Es war der kleine Stotterer, der weinte und sich nicht beruhigte, weil alles zerfalle und alles vorbei sei und es keine Einigkeit gebe und keinen neuen Menschen, sondern nur Eifersucht und Hass. Mit dem nächsten Schiff würden sie alle zurückkehren, dabei hätte er deswegen die Universität verlassen, er könnte längst Rechtsreferendar sein, stattdessen laufe er nackt durch die Sonne, und zu allem noch dieser Lärm. Hören die Trommeln nie wieder auf zu schlagen? Engelhardt legte ihm die Hand auf. Der Stotterer zuckte kurz, riss die Augen auf, schloss sie wieder und lag kurz darauf friedlich und still.
    Die Trommeln hämmerten seinen Namen. Immer wieder. AU-GUST.
    Wenn die Trommel ruft, muss man folgen. In einem Mangobaum im Wald saß Max Lützow, der Klavierspieler, und bot ihm eine Frucht an. Er war nicht mehr wütend, das war gut so. Engelhardt nahm die Mango und aß. Der Saft war süß und erfrischend. Er wollte Max danken, aber der war schon verschwunden. Im Weitergehen pflückte er eine Papaya und verscheuchte den Fliegenschwarm über dem Aas. Das Trommeln war so laut geworden, dass er es nicht hörte, sondern spürte, tief unten im Bauch. Es waren die meterdicken Trommeln aus dem Stamm eines Baumes, darüber die Handtrommeln, bespannt mit dem Fell eines Warans. Immer wieder sein Name. Er wich den Mondpfützen auf dem Weg aus, weil er Angst hatte, darin zu versinken. Die Hütten am Dorfrand leer, nur ein paar Hühner in den Fensterhöhlen, in der Luft ein Geruch von Feuer und Blut und dem Süßgras, das die Männer fermentieren lassen und sich um den Oberarm binden, weil der Duft die Frauen betört. In der Mitte des Dorfplatzes die Trommler, die Augen geschlossen, schweißglänzend, um sie hemm der Kreis der Tänzerinnen und Tänzer, die Frauen mit Lendenschurzen aus Palmwedeln, um den Hals Federkiele des Kasuars und Häuser der Nassa-Schnecke. Die Männer trugen Eberhauer und Gesichter bemalt mit rotem Lehm oder Korallensand, Pflanzensaft in den Haaren. Gehänge aus Palmnüssen klapperten. Flöten kreischten. Manche trugen Federn im Haar, eine für jeden Erschlagenen. Engelhardt beneidete sie. Die abgezogenen Felle der Hunde lagen auf einem Haufen neben den Feuerstellen. Nur ein Hund lebte noch, um den Hals ein Strick, Schaum vor dem Mund, er war besessen, man würde zuerst den Geist austreiben müssen, bevor man ihn aß.
    Kabua löste sich aus dem Tanzkreis, kam zu Engelhardt, sein Körper glänzte vom Kokosöl, auf der Brust der flache Panzer einer Muschel, groß wie ein Teller. Es ist ein gutes Fest, sagte er, viele Sippen sind hier, und alle haben ihren Tanz mitgebracht, sie tanzen den Fischfang, die Zubereitung von Sago, die Brautwerbung, jede Sippe hat ihren Tanz. Wer einen stiehlt, wird getötet. Setz dich und iss etwas. Engelhardt nickte, sank auf den Boden und bekam ein Bananenblatt mit gekochten Farnen. Sie schmeckten salzig und bitter. Neue Tänzer kamen, die Trommler änderten unmerklich den Rhythmus, ein Triton-Horn wurde geblasen. Engelhardt sah dem Tanz zu: Ein Kanu fuhr raus aufs Meer, manche tanzten das Boot, manche den Ausleger, einer den Hairufer, andere den Fisch, der angelockt und erschlagen wurde, was die Geister des Meeres erzürnte, die einen Sturm schickten, sodass das Boot zu schwanken begann. Die Männer taumelten. Der Ausleger riss sich los und versank, die anderen im Einbaum kämpften gegen die Wellen, umkreist von Haien, schlugen mit den Rudern auf sie ein, schrien und gingen dann doch zugrunde, lagen noch im Staub, als schon die nächsten Tänzer kamen, von einer fernen Insel, sie trugen Bambusspeere und tanzten einen Kampf gegen Missionare, die mit Holzkreuzen gegen die Speere fochten. Andere tanzten den Tod einer Schildkröte oder wie die stumme Geisterfrau den Kasuar verwandelt.
    Kabua reichte ihm eine Schale mit Kava. Wieder zog sich alles zusammen, wieder spürte er die unendliche Ruhe. Kabua lächelte. Wir wissen, wer das Schwein stiehlt, sagte er, es ist der Bärtige, wir mästen es seit Wochen. Er stiehlt es und macht ein Fest in dem Zaundorf. Trink die Kava, August, du siehst schwach aus, du musst essen und trinken. Engelhardt sah nicht mehr richtig. Nur Fetzen nahm er wahr. Eine Frauenbrust, die bis zum Gürtel hing. Ein Kakadu an der Kette. Eine Schlägerei am Rande. Aus dem Wald kam ein Liebespaar. Immer wieder die Flöten. Ratten
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