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Das Paradies des August Engelhardt

Das Paradies des August Engelhardt

Titel: Das Paradies des August Engelhardt
Autoren: Marc Buhl
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Ulrich, der etwas stotterte. Friebel schwang eine Holzkeule, aber Engelhardt ließ die Axt fallen. Ihr feiert ein Fest, sagte er, das ist gut, dann ladet mich ein. Zwischen den Hütten ein Feuer, schon heruntergebrannt. Über den glühenden Kohlen ein Schwein am Spieß, den Harald drehte. Er schnitt ein Stück ab, weil das Fleisch gar war, und reichte es weiter.
    Kein Pferd, sagte Walter, der mit den anderen im Kreis ums Feuer saß, ein Pferd wäre würdiger gewesen, aber immerhin, ein Schwein ist nicht schlecht. Ich habe es im Wald gefunden, ein wildes Schwein, Opfergabe an Hermann, den alten Germanen, den Ersten und Besten von uns. Was glaubst du: Wird er das akzeptieren?
    Engelhardt stolperte auf ihn zu, griff ihn am Oberarm, zog ihn hoch, obwohl Walter das Doppelte wog. Du hast geschworen, sagte Engelhardt und fuhr über Walters Tätowierung, das Kreuz im Kreis, nie wieder Fleisch essen, du hast es mir geschworen, aber Walter stieß ihn weg, du bist pathetisch, lass mich einfach in Ruhe.
    Anna war aufgestanden. Engelhardt sah sie nicht, sie stand im Schatten, aber er spürte sie in der Dunkelheit. Pathetisch, sagte Walterwieder, und alle hier wissen es, pathetisch und ein Heuchler. Du willst das Leben schützen. Dabei bist du ein Händler des Todes.
    Engelhardt schüttelte den Kopf, ich bin kein Händler, ich habe nichts anzubieten, nur ein paar Worte und Kopra, aus der man Seife macht und Licht.
    Anna war aus dem Dunkel getreten. Seife und Licht, sagte Engelhardt, und ein paar Ideen, aber Walter lachte. Sag es nicht, bat ihn Anna, aber er hörte nicht auf sie. Ein Händler des Todes, wiederholte er deswegen, und du willst es nicht sehen. Weißt du, warum man so viel für das Kokosfleisch zahlt? Weil es der Hauptbestandteil für Nitroglyzerin ist. Bomben und Granaten züchtest du hier auf deiner Insel. Der nächste Krieg wächst auf deinen Bäumen. Tote Soldaten baust du hier an. Von wegen Seife und Licht. Du nährst dich von den Gefallenen von morgen.
    Engelhardt schüttelte den Kopf, Walter log. Er musste lügen. Er war zum Feind geworden. Feinde logen, ein Trick, aber er ließ sich nicht überlisten und schaute in Annas Gesicht, sie würde ihm helfen, in seinen Augen die Frage, ob all das wahr sei. Erlösung erwartete er, aber sie blickte durch ihn hindurch, die Augen zwei grundlose Schächte, er könnte hineinrufen und warten, ob er ein Echo hörte. Sie nickte langsam, und er sah sie alle vor sich: verwesende Körper in schlammigen Pfützen, ein abgerissenes Bein, Blut pulst über den Oberschenkel, brennende Kadaver von Pferden, Eingeweide wie Lametta in Tannen.
    Das wusste ich nicht, sagte er, ging auf die Knie, während Anna auf Walter einschlug, der sich kaum wehrte, sondern nur lachte, du entkommst mir nicht, hier auf der Insel. Sie rannte davon, doch das sah Engelhardt nicht, denn er war im Krieg. Sedan, schrie ein Offizier. Neben ihm verlor ein Rekrut die Hälfte seines Gesichts, als eine Kokosnuss explodierte. Fleisch schmolz, Knochen bröselten, eine Haubitze schleuderte Nüsse in die Reihe der Feinde. Manche fielen ohne Widerstand, andere schossen Kokosgranaten, aus denen Flammen sprangen, und Engelhardt warf sich in den Sand, barg seinen Kopf in den Armen, während die Schlacht weiter tobte und er mal eine Salve im Rücken spürte, mal den Atem des Feuers, während die Erde von den Trommeln vibrierte.
     
    Als er die Augen aufschlug, waren alle verschwunden. Er sah in die Sterne. Die Nacht war schon alt. Einige Stunden waren vergangen, und der Krieg war vorbei. Der alte Engelhardt war darin gestorben. Die Haut der Raupe verglomm auf einem fernen Schlachtfeld. Nichts gab es jetzt mehr, was ihn noch hielt. Der Rücken des Schweins über der Glut war verbrannt. Die Axt steckte in der Tür der Hütte, aus der er das Schnarchen Emils hörte. In einer der anderen wälzte sich Martha auf ihrer Pritsche. Engelhardt segnete beide. Alles war richtig und gut und an seinem Platz. Die Welt war durchsichtig, wie aus Glas. Er war der Gott, der sie geschaffen hatte und begriff und sie liebte. Sein Mond stand hoch und leuchtete alles gleichgültig aus.
    Sein Kopf war so klar, dass es ihn schmerzte. Sein Herz war das Zentrum der Welt, die Quelle der Kraft, die alles am Leben erhält. Wenn es aufhört zu schlagen, kommt das Ende der Welt. Er war sich der Verantwortung bewusst und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Ein zorniger Blick aus seinen Augen, und die Felsen schmölzen oder der Wald finge Feuer, ein
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