Das Paradies des August Engelhardt
Joseph, es wird nicht schaden, hatte er gesagt, als Dank für alles und Ihnen zum Schutz, ich habe es selber geschnitzt aus Olivenholz vom Garten Gethsemane.
Engelhardt hatte lange kein Kreuz mehr um den Hals getragen.
Er paddelte gegen die Strömung; noch war sie schwach genug, um direkt auf die andere Seite zu kommen. In zwei Wochen wäre das auch wieder vorbei. Engelhardt begann zu schwitzen. Heiß war es, viel zu heiß, außerdem müsste er dringend etwas trinken, der Speichel war bitter und zäh wie Teer und klebte die Zunge am Gaumen fest. Anna hatte nicht auf der Mission bleiben wollen, das wäre das Einfachste gewesen, aber es geht nicht um mich, hatte sie gesagt, sondern um alle anderen und deine Insel, das ist dein Fehler, dass du immer Lösungen für dich selber suchst, du bist ein schlechter Sozialist, August. Kabua wartete auf ihn, als er anlegte.
»August«, sagte er, »mein Bauch schmerzt, weil du so lange nicht hier bist.« Er reichte ihm eine Nuss, und Engelhardt trank, ohne abzusetzen. Der Häuptling lud ihn zum Singsing ein, »wir werden Musik machen und tanzen und essen, schade, dass dein Musiker hinübergegangen ist, es hätte ihm gefallen«.
»Ich muss etwas erledigen«, sagte Engelhardt. »Zeit für Limlimbu?«, fragte Kabua. »Später. Ich möchte meine Insel zurückgewinnen.«
»Krieg«, sagte Kabua fröhlich. »Das ist gut. Ich rufe meine Männer. Wir werden kämpfen und töten. Die Weißen in dem Zaundorf beleidigen uns und wollen uns von der Insel vertreiben. Der Bartmann spricht mit mir darüber, aber ich lache ihn aus. Er droht mir, aber ich lache. Unser Zauberer hat seine Seelenkräfte gefangen und quält sie, bis er stirbt, aber besser und ehrenvoller ist es, selber zu töten. Die Weißen in dem kleinen Dorf schlafen mit unseren Frauen, das weiß ich. Wir töten sie und behalten die Frauen. Und heute Nacht wird das Fest umso größer sein.«
»Kein Krieg. Ich rede mit ihnen.«
»August, du bist kein Tolai, und du bist keiner von ihnen. Weißt du, wer du bist?«
»Ich bin dabei, das herauszubekommen.« Engelhardt folgte Kabua ins Dorf. Ein paar der Kinder kamen zu ihm, streichelten seine Hand. Auf dem Dorfplatz zwei Baumstämme, einen Fußbreit auseinander, dazwischen ein Dutzend Feuerstellen. Daneben zwei Kochgruben. Ein paar Hunde mit zusammengebundenen Schnauzen und gebrochenen Beinen. Sie winselten leise. Blut lief dem einen Hund aus der Nase. Zwei Schweine. »Eines fehlt«, sagte Kabua. »Wir mästen es seit Wochen. Gestern ist es noch im Wald und heute nicht, entweder ein Geist oder ein Dieb. Wenn es ein Dieb ist, stirbt er, denn es kommen viele Männer, und keiner soll nach Hause gehen und sagen, Kabua lässt seine Gäste hungern.« Engelhardt widersprach nicht mehr, dazu fehlte ihm die Kraft, immer trockener und heißer wurde sein Schädel, auch um das Leben der Hunde bat er nicht, es wäre vergeblich gewesen, so vieles war vergeblich, nicht einmal um ihren schnellen Tod bat er. Sie würden, wenn es Zeit dafür war, durch die Hand des Zauberers sterben, der sie zuerst dort berührt, wo das Herz sitzt, und die Sprüche murmelt, ohne die das Fleisch ungenießbar wird, bevor er den Speer mit der Obsidianspitze hineinsticht.
Er setzte sich auf das morsche Kanu vor dem Geisterhaus. Masken von bösen Dämonen starrten ihm in den Rücken. Frauen kamen vom Feld, die Rücken gebeugt, die Schritte schleppend, nur eine ging aufrecht, Walburga Silberman, die Schauspielerin, sie trug ein Bündel Palmwedel, setzte sie ab und küsste Kabua auf beide Wangen. »Er ist der zivilisierteste Mann auf der Insel«, sagte sie. »Ich habe die Schnauze voll von den Wilden mit ihren absurden Ideen. Die einen denken nur an die Reinheit ihres blöden Blutes. Die anderen denken nur mit dem Unterleib. Ich war gefangen zwischen Dummköpfen auf der einen Seite und Idioten auf der anderen. Aber ich habe eine Lösung gefunden. Kabua ist der erste Mann seit Langem, der mich anständig behandelt.« Sie wuchtete das Bündel wieder auf den Rücken. »Und deswegen bleibe ich hier.«
Engelhardt nickte. Kurz sah er sie mit zwei Köpfen, wischte über die Augen, bis einer der beiden verschwand.
»Bleib zum Fest«, sagte Kabua noch einmal, »die Schlange zeigt sich heute Nacht wieder am Himmel, es ist ein gutes Fest.«
Engelhardt schüttelte den Kopf. Nie wieder essen, die Sonne allein wird ihn nähren, das war wichtig. Theodora hatte ihn gefüttert mit Hühnersuppe und Kartoffeln, als er krank lag und zu
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