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Das Paradies am Fluss

Das Paradies am Fluss

Titel: Das Paradies am Fluss
Autoren: Marcia Willett
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schwitzen und rutschen unbehaglich auf dem Sitz herum. Jess lehnt sich in ihre Ecke zurück und sieht zu, wie die Landschaft vor dem Fenster vorbeigleitet. Die Reise hat begonnen.
    Ungefähr zur selben Zeit sieht Kate, als ihr Zug das Bolitho-Viadukt überquert, in dem Feld darunter eine junge Frau und zwei kleine Jungen. Sie haben sich zu einer Reihe aufgestellt, starren nach oben und winken dem Zug heftig zu. Spontan beugt sie sich nach vorn und erwidert den Gruß. Die kleinen Jungen springen herum und wedeln mit beiden Händen; und sie hofft, dass die beiden sie gesehen haben, und verdoppelt ihre Bemühungen.
    Als sie sich auf ihren Platz zurücksinken lässt, ist sie sich des skeptischen Blickes des Mannes gegenüber bewusst. Er zieht eine Zeitung aus seiner Aktentasche, und Kate fühlt sich erleichtert. Sie hat keine Lust, sich in ein Gespräch verwickeln zu lassen oder ihre Handlungen zu erklären. Stattdessen schweifen ihre Gedanken zurück in die Vergangenheit, zu Picknicks und Ausflügen, als ihre Zwillinge noch klein waren. Wanderungen durch Dartmoor, Nachmittage am Strand. Selbst in den Erinnerungen an die Zeit vor der Scheidung ist Mark selten mit von der Partie. Wahrscheinlich war sein U-Boot auf See und hat im Ausland Flagge gezeigt. Und dann, Jahre später, als Guy und Giles an der Universität waren, war da David gewesen, mit dem sie in ihrem Haus am Rand von Tavistock und in seinem Londoner Atelier fünfzehn glückliche Jahre verlebte. Sie lernte Künstler, Fotografen und Schauspieler kennen und genoss Vernissagen, Privatausstellungen und Atelierpartys; eine vollkommen andere Welt als die Marine und die Wohnquartiere für verheiratete Offiziere.
    Und jetzt sind Guy und Giles verheiratet und haben selbst Kinder, David ist tot – und sie ist auf dem Weg nach London, um sich mit Jess Penhaligon zu treffen, die den nach David benannten Kunstpreis gewonnen hat.
    »Sie sind nicht mit der Schauspielerin verwandt?«, hat Kate gefragt, der der Name bekannt vorkam; und Jess klang verwirrt und antwortete: Nein, soweit sie wisse, gebe es keine Schauspielerinnen in ihrer Familie.
    Ziemlich traurig, denkt Kate, dass niemand aus Jess’ Familie zur Verleihung kommt. Es war deutlich, dass sie nicht darüber reden wollte, doch als Kate erklärte, sie reise aus Cornwall an, sagte sie: »Cornwall? Daher stammt die Familie meines Vaters. Mein Großvater war bei der Marine. Leben Sie in Cornwall?«
    Kate erklärte, sie habe nach Davids Tod das Haus in Tavistock verkauft und lebe seit drei Jahren zur Miete im Cottage eines Freundes an der Nordküste von Cornwall. Sie sprach darüber, wie es war, mit einem Künstler verheiratet zu sein, und wie schwierig es sei, von der Malerei zu leben, und Jess erklärte stolz, wenn auch ein wenig schüchtern, sie habe jetzt ein neues Ziel: die Anerkennung durch die Society of Botanical Artists.
    Als der Zug sich schnell auf Plymouth zubewegt, lächelt Kate in sich hinein. Jess hat sich da ein hohes Ziel gesetzt, aber vielleicht erreicht sie es ja. Während der Mann gegenüber seine Zeitung umblättert und der Erfrischungswagen klappernd angefahren kommt, regt sich in Kates Hinterkopf etwas, das Jess gesagt hat, und will keine Ruhe geben. Aber was? Das Gefühl lässt nicht nach, während sie Kaffee bestellt und an das Cottage in Tavistock denkt, das sie kaufen möchte. Sie hat sich davon überzeugen lassen, in Immobilien zu investieren, solange die Preise niedrig sind, und weiß, dass es vernünftig ist. Doch sie ist sich nicht sicher, ob sie die Verantwortung übernehmen will, die es bedeutet, es zu vermieten, und kann sich nicht entscheiden, ob sie wieder nach Tavistock ziehen möchte. Sie lebt gern an der Nordküste, direkt am Meer, wo sie den Schriftsteller Bruno Trevannion zu Fuß besuchen kann – ihren Vermieter, Freund und Liebhaber.
    Ihre Freundschaft mit Bruno war ihr in den letzten paar Jahren sehr wichtig, seit Davids Tod und seit Guy mit seiner kleinen Familie nach Kanada gezogen ist, um auf der Werft seines Vaters zu arbeiten. Guy und Gemma und ihre kleinen Söhne fehlen Kate, und sie macht sich Sorgen, die Beziehung zwischen den beiden – die schon bei ihrem Wegzug heikel war – könnte sich dadurch verschlechtert haben, dass Gemma so weit fort von zu Hause ist und nur zwei so verschlossene Männer zur Gesellschaft hat. Kates eigene Ehe ist an Marks mangelnder Wärme, seiner distanzierten Gleichgültigkeit und seiner scharfen Zunge gescheitert. Guy ist zwar kein
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