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Das Paradies am Fluss

Das Paradies am Fluss

Titel: Das Paradies am Fluss
Autoren: Marcia Willett
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binnenbords um die windseitige Boje, kreuzte die unsichtbare Linie zwischen der Circe und The Spaniards , und hielt auf das Bootshaus zu. Mit herabgelassenen Segeln ruderten sie sie durch das große Tor hinein, spulten fröhlich jeden Moment des Rennens noch einmal ab und tauschten ihre Erlebnisse aus.
    Zuerst waren sie so beschäftigt damit, das Großsegel einzuholen, dass sie die finsteren Mienen von Al und Mike, die die Heron hinter ihnen ins Bootshaus ruderten, gar nicht bemerkten. Die beiden zeigten keineswegs die noble Hinnahme einer Niederlage, die sie von Johnnie und Fred erwarteten – ja sogar verlangten. Al knurrte Mike an, der zurückfauchte; sie machten einander Vorwürfe, und ihre Schuldzuweisungen waren so erbittert, dass sie den anderen die Freude an ihrem Erfolg fast verdarben. Beinahe, aber nicht ganz. Johnnie und Fred frohlockten im Stillen weiter und kosteten die ersten süßen Früchte des Triumphs. Doch Johnnie ging bei dieser Gelegenheit auf, dass die Freundschaft zwischen Al und Mike nicht so tief reichte wie das Band zwischen Fred und ihm. Vielleicht hörte er in diesem Moment auf, seinen älteren Bruder zu beneiden.
    Als Johnnie sich jetzt daran erinnert, sieht er die ersten Anzeichen der gefährlich tief reichenden Rivalität zwischen Al und Mike, die für gewöhnlich durch ihre vermeintlich enge Freundschaft verschleiert wurde. Hier wurde die Saat gelegt, die Jahre später so katastrophal aufging, als Mike die schöne Juliet, die Al begehrte, für sich gewann. Johnnie erinnert sich daran, wie sie zu viert – Fred und er, Al und Mike – von einem anderen Rennen nach Hause segelten; die erhobenen Stimmen, das plötzliche Halsen des Bootes und dann Mikes panischen Schrei: »Mann über Bord!«, und wie Fred und er, Johnnie, unten aus ihren Kojen geklettert waren. Sie suchten die ganze Nacht, aber Als Leiche wurde nie geborgen.
    Johnnie lässt die Maschine langsamer laufen, umkreist die Boje und grüßt wie immer die Circe, und Sophie geht nach vorn, um das Boot zu vertäuen. Sie sind zu Hause.

Tavistock
    Herbst
    »In letzter Zeit sehe ich Geister«, erklärt Kate, lässt den Claret in ihrem Glas kreisen und stellt es dann auf den Tisch. »Oben im Moor. Unten in der Stadt. Weißt du, was ich meine?« Sie wirft ihm einen Blick zu. »Nein, natürlich nicht. Dazu bist du zu jung.«
    Oliver hat die langen Beine unter dem Küchentisch ausgestreckt. Eine Hand steckt in der Tasche seiner Jeans, und in der anderen hält er sein Glas. »Die Geister der vergangenen Weihnachten?«, meint er. »Oder vielleicht die der kommenden Weihnacht?«
    Rasch schüttelt sie den Kopf und zieht eine Grimasse. »Ganz bestimmt nicht die Geister der kommenden Weihnachten. Du weißt, dass Cass mich zu euch eingeladen hat?«
    »Du nimmst doch an, oder? Lass dich von diesem Scheidungsgerede bloß nicht herunterziehen! Du benimmst dich, als wärst du schuld daran. Guy und Gemma sind erwachsene Menschen.«
    »Ach, komm schon, Oliver!«, versetzt sie ungeduldig. »Du weißt genau, dass das so einfach nicht ist. Cass und ich sind schon den größten Teil unseres Lebens eng befreundet, seit unserer Kindheit. Guy ist mein Sohn und Gemma ihre Tochter. Wie sollen wir zwei denn so tun, als ginge es uns nichts an, wenn die beiden sich scheiden lassen? Tief im Inneren gibt Cass Guy die Schuld …«
    Die Retriever-Hündin, die neben dem Herd liegt, hebt den Kopf und sieht die beiden aufmerksam an. Dann legt sie sich zu ihren Füßen unter den Tisch. Warmer, frühherbstlicher Sonnenschein fällt plötzlich durch die hohen Fenster ein und strömt über den Tisch; es glitzert auf Kates Handy, zwei leeren Kaffeebechern und der Flasche Château Brisson.
    »Und du«, sagt Oliver in das Schweigen hinein, »gibst insgeheim Gemma die Schuld.«
    »Nein«, entgegnet sie schnell. »Na schön, ja. Irgendwie schon. Ach, zum Teufel!«
    »Ich kenne meine kleine Schwester sehr gut«, erinnert er sie. »Ich weiß, warum Guy darauf bestanden hat, nach Kanada zu ziehen und Gemmas lästigen Exlover hierzulassen.«
    Sie schaut ihn voller Zuneigung an. Von Cass’ Kindern hat sie Oliver schon immer am liebsten gemocht. Hinter ihm sieht sie eine ganze Abfolge von Olivers: das bezaubernde, aber auch raffinierte Krabbelkind mit dem blonden Haarschopf; den immer zu Streichen aufgelegten, schlagfertigen Schuljungen, der in den Ferien nach Hause kam und seine jüngeren Geschwister ärgerte; den hochgewachsenen, eleganten Cambridge-Absolventen, der sich
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