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Das Orakel von Margyle

Das Orakel von Margyle

Titel: Das Orakel von Margyle
Autoren: Deborah Hale
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sagen: “Ich habe ihn! Ich kann es nicht glauben. Ich berühre Velorkens Stab.”
    Maura wusste, dass sie sich beeilen mussten. Sie ließ den Stab in Delyons ehrfürchtige Hände gleiten und stieg dann, halb kletternd, halb rutschend, die Säule hinunter. Unten angekommen nahm sie den Stab wieder an sich und hastete durch das dunkle Gewirr der unterirdischen Gänge von Aldwood Castle. Mit jedem Atemzug und jedem Herzschlag durchströmten sie mehr Hoffnung und Vertrauen.
    Als sie das Erdgeschoss erreichten, zeigte das rote Glühen im Osten, dass die Dämmerung angebrochen war. Und ein unheilvoller Lärm kündigte ebenfalls den Sonnenaufgang an: Von jenseits des Waldes ertönte Kampfgebrüll.
    Wo war Rath? Maura ließ den Blick über den Burghof schweifen und sah, wie Songrid auf sie zurannte.
    Bevor die Frau noch etwas sagen konnte, fragte Maura: “Wie lange dauert die Schlacht schon?”
    “Nicht lange. Seitdem es hell wurde.”
    “Mein Gatte – wo kann ich ihn finden?”
    Songrid deutete zur Großen Halle hinüber. “Dort. Er und Lord Idrygon waren …”
    Maura hörte ihr schon nicht mehr zu. Sie rannte zur Großen Halle und fand sie, bis auf Rath und Idrygon, verlassen vor.
    “Seht Ihr?”, schrie Idrygon, als er den Stab in ihrer Hand sah. “Ich sagte Euch doch, Ihr solltet den Kampf nicht riskieren, solange es noch Hoffnung gibt, dass wir an den Stab herankommen.”
    Etwas zwang Maura, auf die Knie zu sinken, als sie Rath den Stab entgegenstreckte. Er starrte ihn voller Abneigung an, gerade so, als würde sie ihm den Zauberstab eines Todesmagiers anbieten. Nach kurzem Zögern streckte er aber die Hand aus und nahm ihn.
    “Schnell”, drängte Idrygon. “Sagt Euren Wunsch. Wünscht Tod über die Han! Nicht nur über die an unseren Küsten, wohlgemerkt – über
alle.
Das ist der einzige Weg, wie wir unsere Freiheit erlangen können.”
    Ein Schrei des Protests wollte Maura über die Lippen kommen, doch Rath kam ihr zuvor. “Seid Ihr wahnsinnig? Wie kann ich die Zerstörung einer ganzen Rasse anordnen?”
    “Wenn Ihr Euch Sorgen wegen Eurer Frau macht”, sagte Idrygon und tat dabei, als würde er ein großes Zugeständnis machen, “dann sagt klar, dass Ihr Euch nur den Tod der reinrassigen Han wünscht.”
    Maura hörte, wie Delyon hinter ihr aufschrie. “Und was ist mit Songrid und anderen wie ihr?”
    “Aye”, sagte Rath. “Frauen, Alte, Kinder? Ich könnte mit solch einem Blutbad nicht leben!”
    “Wart Ihr nicht früher ein Gesetzloser?”, fragte Idrygon. “Klebte noch nie Blut an Euren Händen?”
    “Natürlich – zu viel.”
    “Das hier wird leichter sein. Ihr müsst nicht Euer eigenes Leben riskieren. Ihr müsst nicht sehen, wie sie sterben. In diesem Augenblick erschlagen die Han Eure Männer. Ihr müsst dem ein Ende machen!”
    Rath schüttelte den Kopf. “Nicht auf diese Art.”
    Einen Moment lang sah es aus, als wollte Idrygon vor Wut Rath an die Kehle gehen. Doch es gelang ihm, die Beherrschung zu bewahren. Als er wieder sprach, klang sein Ton vernünftig. “Tut es, und ich erfülle Euch Euren größten Wunsch, Sire.”
    Rath seufzte müde. “Selbst wenn ich auf diesen Handel eingehen würde, habt Ihr nicht die leiseste Ahnung von meinem größten Wunsch.”
    “In den letzten Wochen habe ich Euch oft genug beobachtet, um ihn erraten zu können”, meinte Idrygon. “Ihr wünscht Euch gar nicht, dieses schwierige Königreich zu regieren, wenn der Aufstand erst einmal vorüber ist. Ihr wollt diese Bürde nicht auf Euch nehmen. Viel lieber würdet Ihr ein einfaches, friedliches Leben in irgendeinem ruhigen Dorf führen. Habe ich recht?”
    Rath antwortete nicht. Er brauchte es gar nicht. Die Sehnsucht in seinen Augen zeugte schmerzlich von seinen wahren Gefühlen.
    “Befreit unser Land von dieser Bedrohung”, bat Idrygon ihn eindringlich, “und Ihr müsst nur dem Namen nach König sein. Unterzeichnet hin und wieder ein paar Dokumente und tretet bei den Zeremonien auf. Ansonsten könnt Ihr mit Eurer Familie so ruhig leben, wie Ihr es wünscht, während ich mich um die praktischen Dinge kümmere und das Königreich in Eurem Namen regiere.”
    Raths Blick suchte Mauras. “
Aira
, sag mir, was ich tun soll. Ich fürchte, ich besitze nicht die Willensstärke.”
    Maura wusste, wie sehr Idrygons Angebot ihn locken musste, denn ihr ging es nicht viel anders. Idrygon war der geborene Anführer, unter dessen Regierung die Vestanischen Inseln ein Hafen des Friedens und Reichtums
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