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Das Orakel von Antara

Das Orakel von Antara

Titel: Das Orakel von Antara
Autoren: Gabriel Galen
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du, soll mein Blut neben dir die Erde tränken! Und nun lass' es dabei bewenden. Wir wollen zurückgehen. Nun, da wir ein Ziel zu erreichen haben, lass' uns handeln!“
     
    Lachend ergriff Yorn Revens Hand und zog ihn mit sich fort. In seinen Augen funkelte schon wieder die alte Unternehmungslust. „Dann komm, Bruder!“ feixte er. „Und unsere erste Handlung wird sein, das gute Abendessen zu genießen, das Mutter sicher schon auf dem Herd hat. Denn wie ich es sehe, werden wir ihre Kochkunst für lange Zeit entbehren müssen. Los, wer zuerst ankommt, kriegt das größere Stück Braten!“
     
    Zwei Tage später standen am frühen Morgen zwei von Lorans Pferden im Hof des Anwesens. Hinter den Sätteln waren prall gefüllte Reisesäcke aufgeschnallt. Yorn und Reven waren eben dabei, die Pferde nochmals tüchtig zu tränken, als Loran mit Mara aus dem Haus trat. Mara trug auf dem Arm zwei Lederumhänge, die dick mit Pelz gefüttert waren. Diese reichte sie nun den beiden jungen Männern. Yorn sah die Tränen in Maras Augen.
     
    „Aber Mutter, es ist doch noch Sommer!“ sagte er betont heiter. „Heb' die Umhänge lieber für uns auf, damit wir sie haben, wenn wir wiederkommen.“
     
    „Lass‘ nur, Mutter!“ unterbrach ihn Reven und nahm Mara die Umhänge aus der Hand. „Du hast schon Recht, und wir danken dir sehr für dein Geschenk. Yorn hat nicht bedacht, dass die Tage bereits kürzer werden und wir auf dem Weg in die Berge sind. Wenn die ersten Nachtfröste kommen, wird er sich deiner in Dankbarkeit erinnern, wenn er auch jetzt nur an seine Bequemlichkeit denkt.“
     
    Er verschnürte die Umhänge auf seinem Proviantsack. Dann trat er zu Mara und zog sie in die Arme.
     
    „Leb' wohl, Mutter!“ sagte er. „Mach' dir keine Sorgen! Wir werden gut auf uns achten. Du wirst sehen, wir stehen wieder wohlbehalten vor dir, ehe du es erwartest. Jetzt kannst du dir wenigstens mal ein bisschen Zeit gönnen, denn du hast nun eine Weile Ruhe vor uns beiden. Du hattest immer so viel Arbeit mit uns, dass dir ein wenig Erholung von uns bestimmt guttun wird.“
     
    „Reven hat Recht!“ sagte Yorn und legte ebenfalls seine Arme um sie. „Und die Götter wissen, wie tief meine Dankbarkeit für alles ist, was du mir gegeben hast. Ich hoffe, die Zeit kommt, da ich dir deine Liebe und Fürsorge vergelten kann. Wer könnte eine glücklichere Kindheit haben, als ich sie in eurer Obhut verbracht habe?“
    Er trat zu Loran hinüber und zog auch ihn an die Brust. „Für mich wirst du immer mein Vater sein, auch wenn ich nicht von deinem Blut bin.“ Yorn schluckte, weil er spürte, dass auch ihm die Tränen in die Augen stiegen. „Meinen leiblichen Vater entriss mir das Schicksal, aber es gab mir dafür einen wertvollen Ersatz. Es schenkte mir liebevolle Eltern und einen Bruder, den ich sonst vielleicht nie gehabt hätte und für den ich den Göttern dankbar bin. Denn ihn ihm schenkten mir die Götter auch einen Freund, wie man so leicht keinen findet. Und das erleichtert mir den Abschied von euch, denn in ihm nehme ich auch ein Stück der geliebten Eltern mit mir. Leb' wohl, Vater, und die Götter mögen euch behüten, wie ihr es mit mir getan habt!“
     
    Auch Reven umarmte den Vater, und dann schwangen sich die beiden jungen Männer in die Sättel. Noch einmal beugten sie sich zu Mara hinunter, die weinend die Hände ihrer Söhne umklammerte. Dann wendeten sie die Pferde und ritten im Galopp vom Hof. Als sie den Fuß der Anhöhe erreichten, drehten sie sich noch einmal um und winkten.
    Loran hatte den Arm um Mara gelegt. So standen die beiden und schauten ihren Söhnen nach. Erst als Reven und Yorn schon lange unter den Bäumen verschwunden waren, geleit ete Loran sein Weib zurück ins Haus.
     
    Die ersten Stunden des Ritts schwiegen die Brüder, denn der Abschied hatte beiden das Herz schwer gemacht. Jeder von ihnen hing seinen Gedanken nach. Doch es waren die gleichen Gedanken, die beide bewegten. Sie dachten zurück an die glücklichen Tage, die sie in dem kleinen Anwesen verbracht hatten, sorglos und frei und nur mit den bunten Träumen der Jugend über die Zukunft. Und in beiden kehrte sich der Blick nach einer Weile von der Vergangenheit auf das Kommende, und das Lächeln der Erinnerung wich dem Ernst der drohenden Ungewissheit. Yorn brach als erster das Schweigen.
     
    „Es ist mir, als hätte ich bis heute in einem glücklichen Traum gelebt“, sagte er. „Doch nun bin ich erwacht, und ich sehe keinen klaren
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