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Das Opfer

Das Opfer

Titel: Das Opfer
Autoren: Vadim Panov
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würde sich im Zweifelsfall auch kein Richter interessieren.
    »Hast du dir vor Angst nicht in die Hosen gemacht?« Cortes nippte gleichmütig an seinem Cognac.
    »Nein, aber es hat nicht viel gefehlt«, berichtete der Eulin wahrheitsgemäß. »Der Magister hat sogar sein Schlafzimmer mit Mordinstrumenten tapeziert: zweigriffige Schwerter, Dolche, eieiei … Aber nicht ein Spiegel! Keine Ahnung, wie er mit seiner Traumfrau klarkommt. «
    Die Söldner schmunzelten.
    »Und was ist dann passiert?«
    »Ich liege also unter dem Bett und denke: verdammt, gleich schaut der Magister unter das Bett, schnappt sich die nächstbeste Klinge von der Wand und tschüss, Murzo Chase, schöne Grüße an den Schlafenden.« Der Geschäftsführer der Rennsemmel kratzte sich am kahlen Kopf und grinste verschmitzt. Wie alle Eulins konnte er sich ein Leben ohne Liebesaffären nicht vorstellen. »Vor der Tür höre ich bereits Schritte, und Linda fragt mich noch schnell, ob schon alle meine Ringe unter dem Bett sind. Leider konnte ich mich nicht mehr erinnern, wie viele Ringe ich anstecken hatte, sieben oder acht.«
    Die Söldner betrachteten Murzos üppig beringte Finger und schmunzelten abermals: Die Vorliebe für teuren Klunker kam bei den Eulins gleich an zweiter Stelle nach ihrer Schwäche für Frauen.
    »Ich saß echt in der Tinte«, erzählte Murzo weiter, »und wusste nicht, was ich tun soll: die Ringe zählen, die Unterhose anziehen oder lieber gleich mein Testament schreiben? Und dann turnen noch ständig die Beine von diesem Hasen vor meiner Nase rum …« Der Eulin fasste sich an die Glatze und verdrehte die Augen. »In dem Moment, als Linda gerade die Überdecke aufs Bett wirft, kommt der Herr Magister herein – Hut ab, wie der seiner Frau Gemahlin vertraut: ›Liebste, du hast mir so gefehlt! ‹ Und sie turtelt gleich zurück: ›Endlich, Schatz, ich hab so auf dich gewartet!‹ Was soll sie auch sagen, wenn sie nur Pumps anhat. Und ich arme Sau liege im Staub unter dem Bett und komme fast um vor Lust – schließlich wollte sie ja eigentlich mit mir … Es gibt einfach keine Gerechtigkeit auf der Welt.«
    Die Söldner lachten.
    Der Eulin trank einen Schluck Wein und setzte seinen Bericht fort: »Ich versuche gerade, in meine Unterhose zu schlüpfen, da biegt sich plötzlich die Matratze unter dem Gewicht des Herrn Magisters durch – Hut ab vor seinem gesegneten Appetit. Ich mache mich also so klein wie möglich, doch dann geht über mir richtig die Post ab: Ich hab wirklich gedacht, die machen mich platt wie eine Flunder.«
    »Und wie bist du aus der Misere wieder rausgekommen? «, erkundigte sich Artjom.
    »Ich hatte Schwein. Als der Herr Magister sich ins Bad begab – Hut ab vor seiner Reinlichkeit –, hatte ich genug Zeit, ein Portal aufzubauen. Durch das bin ich dann direkt in mein Auto geflohen, das ich ein paar Straßen weiter geparkt hatte.«
    »Und was ist mit Linda?«
    »Wir werden telefonieren«, antwortete Murzo achselzuckend. »Schließlich sind wir zu nichts gekommen und von dem kleinen Zwischenfall mit ihrem Ehemann lasse ich mich gewiss nicht abschrecken.«
    »Waldemar Balota soll ziemlich unberechenbar sein, wenn er böse ist …«
    »Wer ist schon perfekt?«
    »Warum hast du dir denn ausgerechnet die Frau des Magisters ausgesucht?«, fragte Cortes, der sich mehr für die grundlegenden Fragen interessierte. »Hat dich das Risiko gereizt?«
    »Der Ruf der Natur«, erwiderte Murzo mit Unschuldsmiene. »Ich habe sie vor zwei Monaten in der Eidechse kennengelernt und bin seither völlig verrückt nach ihr. Ich musste das einfach tun!«
    »Jaja, ihr habt’s nicht leicht, ihr Eulins. Sobald ihr eine schöne Frau seht, schaltet sich euer Gehirn aus und ihr rennt mit dem Kopf durch die Wand«, sagte Cortes.
    Er und Artjom waren zwar Humos, doch sie genossen großes Ansehen in der Verborgenen Stadt und pflegten einen ungezwungenen Umgang mit ihren Bewohnern.
    »Es ist doch unsere einzige Freude im Leben«, rechtfertigte sich Murzo grinsend. »Mit Politik haben wir nichts am Hut, das ist Sache der Herrscherhäuser, als Krieger taugen wir nichts und Geld scheffeln bringt auch keine Erfüllung. Was bleibt uns also anderes übrig, wenn wir uns nicht ständig betrinken wollen?«
    Zumindest teilweise hatte der Eulin damit völlig Recht. Die Zuständigkeiten in der Verborgenen Stadt waren klar verteilt: Die Herrscherhäuser kontrollierten das Gemeinwesen, die Schatyren Finanzen und Handel, die Rothauben die
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