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Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Titel: Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5
Autoren: Arthur Conan Doyle
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hatte noch keine Gelegenheit, Shinwell Johnson in diesen Memoiren vorzustellen, denn ich habe selten über Fälle aus dem späteren Wirken meines Freundes berichtet. Während der ersten Jahre des neuen Jahrhunderts war er ein wertvoller Helfer geworden. Johnson, das muß ich leider sagen, hatte sich zuerst einen Namen als sehr gefährlicher Schurke gemacht und zwei Strafen in Parkhurst verbüßen müssen. Schließlich bereute er und verband sich mit Holmes. Er arbeitete als sein Agent in der riesigen Londoner Unterwelt und gelangte an Informationen, die sich als äußerst wichtig erwiesen. Als ein Zuträger der Polizei wäre Johnson bald bloßgestellt gewesen; aber da er an Fällen mitarbeitete, die nie direkt vor die Gerichte kamen, erfuhren seine Kumpane nichts von seiner Tätigkeit. Mit dem Ruhm zweier Vorstrafen ausgestattet, hatte er Zutritt zu jedem Nachtclub, jedem Obdachlosenasyl und zu jeder Spielhölle in der Stadt, und seine schnelle Beobachtungsgabe und sein wacher Verstand machten ihn zum idealen Agenten. An ihn also wollte sich Sherlock Holmes jetzt wenden.
      Mir war es nicht möglich, meinem Freund sofort zu helfen, denn ich hatte einige dringende Berufspflichten zu erledigen; aber ich verabredete mich mit ihm und traf ihn eines Abends bei Simpson, wo er mir, an einem kleinen Tisch beim Fenster sitzend, den Blick auf den vorüberziehenden Strom des Lebens im Strand gerichtet, einiges von dem erzählte, was geschehen war.
      »Johnson ist unterwegs«, sagte er. »Vielleicht kann er in den düsteren Schlupfwinkeln der Unterwelt einiges auftreiben, denn dort, bei den schwarzen Wurzeln des Verbrechens, müssen wir den Geheimnissen des Mannes nachjagen.«
      »Aber wenn die Dame nicht auf das hören will, was schon bekannt ist, wieso sollte sie durch neue Entdeckungen, die Sie machen, von ihrem Vorsatz abgehalten werden können?«
      »Wer weiß, Watson? Herz und Verstand einer Frau sind für den Mann ein unlösbares Rätsel. Mord wird vielleicht verziehen oder gerechtfertigt, und doch könnte ein kleineres Vergehen verbittern. Baron Gruner sagte mir…«
    »Er sagte Ihnen?«
      »Ach ja, ich hatte Ihnen meine Pläne nicht mitgeteilt! Nun, Watson, ich liebe es, möglichst nahe an meinen Mann heranzukommen. Ich stehe ihm gern Auge in Auge gegenüber, um selber festzustellen, aus welchem Stoff er gemacht ist. Nachdem ich Johnson meine Anweisungen gegeben hatte, nahm ich eine Droschke nach Kingston, fand auch den Baron in umgänglicher Stimmung.«
      »Hat er Sie erkannt?«
      »In dem Punkt konnte es keine Schwierigkeiten geben, denn ich ließ ihm einfach meine Karte bringen. Er ist ein ausgezeichneter Gegenspieler, kalt wie Eis, mit seidenweicher Stimme; besänftigend wie einer Ihrer Modeärzte und giftig wie eine Kobra. Ein Mann von Rasse, ein richtiger Aristokrat des Verbrechens, weiß eine Atmosphäre von Fünf-Uhr-Tee um sich zu verbreiten und hat hinter sich doch die Schrecken des Grabes. Ja, ich bin froh, daß ich meine Aufmerksamkeit auf Baron Adelbert Gruner gerichtet habe.«
      »Sie sagten, er sei umgänglich gewesen?«
      »Ein schnurrender Kater, der glaubt, er hätte Aussicht auf Mäuse. Die Umgänglichkeit einiger Leute ist tödlicher als die Gewalttätigkeit roherer Seelen. Seine Begrüßung war charakteristisch. ›Ich dachte es mir fast, daß ich Ihnen früher oder später begegnen würde, Mr. Holmes‹, sagte er. ›Sie sind wahrscheinlich von General de Merville beauftragt worden, meine Heirat mit seiner Tochter Violet zu verhindern. So ist es doch, oder nicht?‹
    Ich nahm es schweigend hin.
      ›Mein lieber Herr‹, sagte er, ›Sie werden nur Ihren wohlverdienten Ruf ruinieren. Das ist kein Fall, in dem Sie erfolgreich sein können. Sie werden unfruchtbaren Boden beackern, nicht zu reden davon, daß Sie sich einiger Gefahr aussetzen. Ich möchte Ihnen dringend raten, die Finger davonzulassen.‹
      ›Es ist seltsam‹, antwortete ich, ›aber das ist genau der Ratschlag, den ich Ihnen geben wollte. Ich habe alle Achtung vor Ihrem Geist, Baron, und das Wenige, das mir über Ihre Person zur Kenntnis gelangte, hat meine Achtung nicht gemindert. Ich will mit Ihnen von Mann zu Mann sprechen. Niemand möchte Dinge Ihrer Vergangenheit aufrühren und Sie über Gebühr belästigen. Das ist alles vorbei, und Sie segeln jetzt in freundlichem Wasser; aber wenn Sie auf dieser Heirat bestehen, rufen Sie einen Schwarm mächtiger Feinde auf den Plan, und man würde keine Ruhe
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