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Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Titel: Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5
Autoren: Arthur Conan Doyle
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die Hände hoch, die in Glacéhandschuhen steckten. »An Ihnen kommt aber auch keiner ungeschoren vorbei, Mr. Holmes! Herrlich! Sie haben ihn also schon in die Kategorie der Mörder gesteckt.«
      »Es gehört zu meinem Beruf, die Einzelheiten des kontinentalen Verbrechens zu verfolgen. Wer könnte aber auch noch Zweifel an der Schuld des Mannes hegen, nachdem er gelesen hat, was in Prag geschehen ist! Nur ein rein formales Bestehen auf dem Gesetz und der verdächtige Tod eines Zeugen retteten ihn. Ich bin so sicher, daß er seine Frau bei diesem angeblichen Unfall am Splügen-Paß getötet hat, als wäre ich dabeigewesen. Ich weiß auch, daß er nach England gegangen ist, und ich hatte eine Vorahnung, daß er früher oder später dafür sorgen würde, daß ich Arbeit bekäme. Nun, was ist mit Baron Gruner los? Ich nehme an, es handelt sich nicht um die alte Tragödie, die jemand wieder hochgespielt hat.«
      »Nein, es geht um etwas Ernsteres. Verbrechen zu rächen ist wichtig, wichtiger aber ist, Verbrechen zu verhindern. Es ist schrecklich, Mr. Holmes, anzusehen, wie sich ein furchtbares Ereignis, eine gräßliche Situation vor den eigenen Augen entwickelt; man begreift ganz klar, wohin es führen wird, und ist doch völlig außerstande, es abzuwenden. Kann sich ein menschliches Geschöpf in einer schlimmeren Lage befinden?«
      »Vielleicht nicht.«
      »Dann werden Sie mit meinem Klienten fühlen können, in dessen Interesse ich handele.«
      »Ich war mir nicht bewußt, daß Sie lediglich als Vermittler kommen. Wer ist die Hauptperson?«
      »Mr. Holmes, ich muß Sie bitten, in dieser Frage nicht in mich zu dringen. Es ist wichtig, daß ich ihm versichern kann, sein angesehener Name werde in keiner Weise in die Sache hineingezogen. Seine Motive sind ehrenhaft und ritterlich in jeder Beziehung, aber er wünscht unbekannt zu bleiben. Ich brauche nicht zu sagen, daß Ihr Honorar gesichert ist und daß Sie völlig freie Hand haben werden. Gewiß ist doch der wirkliche Name Ihres Klienten ohne Belang?«
      »Dann tut es mir leid«, sagte Holmes. »Ich bin es gewohnt, daß an einem Ende meiner Fälle ein Geheimnis steht; aber Geheimnisse nach beiden Seiten sind mir zu verwirrend. Ich fürchte, Sir James, ich muß ablehnen.«,
      Unser Besucher war sehr verstört. Sein großes, ausdrucksvolles Gesicht verdunkelte sich vor Erregung und Enttäuschung.
      »Sie ermessen wohl kaum die Wirkung Ihrer Ablehnung, Mr. Holmes«, sagte er. »Sie stellen mich vor das ernsteste Dilemma, und ich bin völlig sicher, daß Sie stolz wären, den Fall übernehmen zu können, wenn ich Ihnen alle Tatsachen mitteilen dürfte. Doch ein Versprechen verbietet mir die Enthüllung. Darf ich Ihnen wenigstens unterbreiten, was mir zu sagen erlaubt ist?«
      »Gewiß, solange es als vereinbart gilt, daß es mich zu nichts verpflichtet.«
      »Das ist klar. Zuerst einmal: Sie haben doch sicherlich schon von General de Merville gehört.«
      »De Merville, der am Khyber-Paß Ruhm errang? Ja, von dem habe ich gehört.«
      »Er besitzt eine Tochter, Violet de Merville, die jung ist, reich, schön, vollkommen, ein Wunder an Frau in jeder Beziehung. Diese Tochter, dieses liebliche, unschuldige Mädchen, müssen wir aus den Klauen eines Teufels zu befreien versuchen.«
      »Dann hat also Baron Gruner Einfluß auf sie?«
      »Den stärksten, der sich auf eine Frau ausüben läßt – den Einfluß der Liebe. Der Bursche – wie Sie vielleicht schon gehört haben – sieht außergewöhnlich gut aus, hat eine bestrickende Art, eine sanfte Stimme und ist von einem Hauch Romantik und Geheimnis umgeben, der Frauen soviel bedeutet. Es heißt, das ganze Geschlecht liege ihm zu Füßen und er habe reichlichen Gebrauch von diesem Umstand gemacht.«
      »Aber wie konnte ein solcher Mann die Bekanntschaft einer Dame vom Stande der Miss Violet de Merville machen?«
      »Das war bei einer Kreuzfahrt im Mittelmeer. Alle Teilnehmer, wenn sie auch ausgewählt waren, kamen für ihre Fahrtkosten auf. Zweifelsohne dürften die Veranstalter den wahren Charakter des Barons kaum gekannt haben; und dann war es zu spät. Der Schurke hängte sich an die Dame, mit dem Erfolg, daß er ihr Herz gewann. Zu sagen, daß sie ihn liebe, drückt ihren Zustand nicht recht aus. Sie ist verrückt nach ihm, von ihm besessen. Außer ihm gibt es nichts auf der Welt. Sie erträgt kein Wort gegen ihn. Alles wurde getan, sie von dieser Verrücktheit zu heilen,
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