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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied
Autoren: Manfred Bierwisch
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ließ man auf Saumtieren nach Worms bringen. Sîfrit und seine Gefährten hatten sich ehrenhaft gehalten, er hatte sich ausgezeichnet, und jeder Krieger in Gunthers Heer erkannte seine Leistungen an.
    Herr Gêrnôt schickte Botschaft voraus und ließ den Freunden in der Heimat berichten, welche Erfolge und Ehren sie erkämpft hatten. Die Knappen liefen und richteten es aus, und wer vorher getrauert hatte, freute sich nun der guten Nachrichten. Die Frauen erhoben ein großes Fragen, wie die Krieger die Schlacht bestanden hätten. In aller Heimlichkeit wurde einer der Sendboten auch vor Kriemhilt geführt, denn es durfte nicht laut werden, daß sie einem im Heer liebende Anteilnahme zuwandte. Sie empfing den Boten freundlich in ihrem Gemach und versprach ihm ihr Wohlwollen und Gold für einen günstigen und wahrheitsgemäßen Bericht. »Wie kamen Gêrnôt und meine anderen Angehörigen aus dem Kampf davon? Sind viele von uns tot? Und wer hat sich am meisten hervorgetan? Dasalles sollst du mir erzählen.« Der Bote begann unverzüglich: »Wir hatten keinen Feigling unter uns. Und wenn ich es sagen soll, beim Turnier wie in der Schlacht hielt sich niemand so vorzüglich wie der vornehme Gast aus den Niederlanden. Sîfrit hat Außerordentliches vollbracht. Was alle Herren im Kampf geleistet haben, Dancwart und Hagen und die anderen, was sie an Erfolg errungen haben, ist doch nichts im Vergleich mit diesem Königssohn. Sie erschlugen viele Ritter im Kampf, aber Sîfrits wunderbare Taten kann wohl niemand alle erzählen. Er tat den Frauen Schmerz an durch den Tod ihrer Verwandten, und manche wird den Geliebten nicht wiedersehen. Seine Schwertschläge dröhnten auf den Helmen und ließen das Blut aus den Wunden fließen. Er ist in allen Eigenschaften ein kühner und vorzüglicher Ritter. Ortwîn von Metz verwundete und erschlug, wen er mit seinem Schwert erlangen konnte, und Euer Bruder schuf den Feinden die größte Not, die sich für eine Schlacht überhaupt denken läßt. All den Helden muß man die Wahrheit zugestehen: Die stolzen Burgunden haben so gekämpft, daß sie vor jeder Schande sicher sind. Vor ihren Händen wurde mancher Sattel leer, vor ihren blitzenden Schwertern erschallte das Feld. Die Helden vom Rhein sind geritten, daß es ihren Feinden leid wurde. Die kühnen Ritter von Tronege richteten viel Unheil an, als die Heere mit allem Kriegsvolk aufeinanderprallten. Hagen hat viele zu Tode geschlagen. Davon wäre in Burgund viel zu erzählen. Sindolt und Hûnolt aus Gêrnôts Anhang und der unerschrockene Rûmolt haben so viel getan, daß Liudegêr in Ewigkeit bereuen wird, Euch den Krieg erklärt zu haben. Am schärfsten und unermüdet kämpfte Herr Sîfrit, wie man es nie gesehen hat, von Anfang bis zum Ende. Er bringt eine reiche Geisel mit in unser Land. Seine Stärke hat sie in die Knie gezwungen, so daß es Liudegast schlecht ergingund auch Liudegêr von Sachsen. Hört, edle Königin: Er hat sie beide gefangen. So viele Geiseln sind nie an unseren Hof gebracht worden wie jetzt durch seine Stärke.« Ihr konnte keine Botschaft lieber sein als diese. »Es sind fünfhundert oder mehr Gesunde, und achtzig blutgerötete Bahren mit Schwerverwundeten, die in unser Land gebracht werden. Die meisten von ihnen hat Sîfrit verwundet. Sie haben in ihrem Übermut Burgund den Frieden aufgekündigt, nun sind sie die Gefangenen Gunthers.« Sie errötete vor Freude über den Bericht, da Sîfrit die große Gefahr glücklich überstanden hatte. Sie freute sich aber auch ihrer Angehörigen wegen, und das war recht und billig. Sie sagte: »Du hast mir gute Nachricht gebracht. Zum Lohn sollst du ein kostbares Gewand und fünf Pfund Gold bekommen, die werde ich dir geben lassen.« Darum mag man hochgestellten Herrinnen gern solchen Bescheid bringen. Sein Entgelt, das Gewand und das Gold, wurde ihm übergeben.
    Manches schöne Mädchen stand am Fenster und sah die Straße hinunter, auf der die siegesstolzen Ritter in Burgund einritten. Die Gesunden wie die Verwundeten konnten sich ohne Beschämung begrüßen lassen, und Gunther ritt seinen Leuten freudig entgegen. Der unglückselige Krieg war nun zu einem guten Ende gekommen. Er empfing seine Krieger und die auswärtigen Mitkämpfer mit großen Ehren, und er hatte allen Anlaß, ihnen für ihren Beistand und den rasch errungenen Sieg herzlich zu danken. Er fragte nach den Toten, da hatte er nicht mehr als sechzig Mann verloren. Man mußte sich mit dem Verlust abfinden, so ist es
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