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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied
Autoren: Manfred Bierwisch
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haben viele Anhänger. Innerhalb von zwölf Wochen werden sie kommen. Wenn Ihr gute Freunde habt, so kümmert Euch bald um sie, damit sie Euch Land und Burgen schützen helfen, denn Eure Feinde wollen hier manchen Held und Schild zerschlagen. Wenn Ihr aber unterhandeln wollt, so gebt ihnen Nachricht, dann kommen die Scharen nicht ins Land, um Euch schmerzliches Leid zuzufügen und manchem tapferen Ritter den Tod zu bringen.«
    Gunther antwortete: »Wartet eine Weile, daß ich nachdenken kann. Dann werde ich euch meine Entscheidung mitteilen. Ich darf meinen Freunden und Gefolgsleuten diese schlimme Nachricht nicht verschweigen.« Gunther war tief betrübt, er behielt die Botschaft für sich. Er ließ Hagen und seine anderen Lehensleute herbeiholen und bat sie, so bald als möglich bei Hofe vor Gêrnôt zu erscheinen. Da kamen die Vornehmsten des Landes, und Gunther sagte zu ihnen: »Man will mit einer großen Kriegsmacht unser Land überfallen; laßt Euch das zu Herzen gehen.« Darauf nahm Gêrnôt das Wort: »Wir wollen sie wohl abwehren mit dem Schwert, denn nur die werden fallen, denen es vorbestimmt ist. Um derentwillen möchte ich meine Ehre nicht durch Verhandlungen aufs Spiel setzen. Die Feinde sollen uns willkommen sein.« Hagen aber sagte: »Das scheint mir nicht gut. Liudegêr und Liudegast sind von hochfahrendem Sinn, und wir können unser Heer nicht aufbieten in so kurzer Zeit. Wollt Ihr nicht Sîfrit einweihen?«
    Die Boten erhielten Unterkunft in der Stadt. Wie feindseligman ihnen auch gesinnt war, Gunther ließ sie doch fürsorglich und entgegenkommend behandeln, bis er seine Freunde um ihren Beistand gefragt hatte.
    Der König war in großer Sorge. Da sah ihn ein Ritter trauern, der nicht wissen konnte, was ihm zugestoßen war, und er bat Gunther, es ihm zu erzählen: »Ich bin erstaunt«, sagte Sîfrit, »daß Ihr die fröhlichen Sitten ändert, die Ihr mit uns so lange gehalten habt.« Gunther antwortete ihm: »Nicht allen Leuten kann man den Kummer sagen, den ich in meinem Herzen verbergen muß. Man soll nur bewährten Freunden seine Not anvertrauen.« Sîfrit wurde rot und blaß vor Erregung. Er sagte zu Gunther: »Ich habe Euch bisher noch nichts abgeschlagen, und auch dieses Leid will ich Euch abwenden helfen. Wenn Ihr Freunde sucht, so will ich einer sein und hoffe es ehrenvoll zu bleiben bis zu meinem Tod.« – »Gott lohn’ es Euch, Herr Sîfrit. Eure Worte tun mir wohl. Und auch wenn Eure Stärke nicht helfen könnte, würde ich mich doch Eurer Freundschaft freuen. Wenn ich noch ein paar Jahre lebe, so soll Euch das wohl vergolten werden. Ich will Euch erzählen, was mich mit Sorgen erfüllt. Meine Feinde haben Boten geschickt und mir einen Heerzug angekündigt. Das hat uns hierzulande noch niemand angetan.« Da sagte Sîfrit: »Das laßt Euch wenig kümmern, habt Zuversicht. Erfüllt mir meine Bitte: Laßt mich Ansehen und Nutzen für Euch erwerben und bittet Eure Krieger zu Hilfe. Wenn ich dreißigtausend von Euren starken Kämpfern zur Seite habe, so will ich es gern mit den Feinden aufnehmen; selbst wenn ich nur tausend hätte, könntet Ihr Euch auf mich verlassen.« – »Das will ich Euch immer vergelten«, sagte Gunther. »So gebt mir tausend von Euren Männern, da ich nur zwölf Krieger bei mir habe; dann will ich Euer Land verteidigen. Hagen und Ortwîn, Dancwart und Sindolt, deine treuen Freunde,sollen uns dabei helfen. Auch Herr Volkêr soll mit uns reiten und die Fahne tragen: niemandem gönne ich das lieber. Schickt die Boten heim und sagt ihnen, daß sie uns bald wiedersehen werden. Unsere Burgen werden in Frieden bleiben.« Da rief Gunther seine Verwandten und seine Männer zusammen. Die Boten Liudegêrs erschienen bei Hofe. Sie waren froh, daß sie heimkehren sollten. Gunther stattete sie mit reicher Gabe aus und sorgte für freies Geleit: All das beflügelte ihre Stimmung. »Nun richtet meinen großen Feinden aus«, sagte Gunther, »sie sollen nur zu Hause bleiben mit ihrem Heerzug. Wollen sie mich aber heimsuchen in meinem Reich, so werden sie Bedrängnis kennenlernen, wenn ich mich auf meine Freunde verlassen kann.« Den Boten wurden kostbare Geschenke überreicht, wie Gunther sie wohl zu vergeben hatte, und die Leute Liudegêrs wagten nicht, sie zurückzuweisen. Sie reisten guten Mutes heim.
    Als die Boten nach Dänemark zurückkamen und dem König Liudegast von ihrer Reise berichteten, war er erzürnt über den Übermut der Burgunden. Die Boten erzählten, wieviel
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