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Das neue Philosophenportal

Das neue Philosophenportal

Titel: Das neue Philosophenportal
Autoren: R Zimmer
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Großteil der Berufsphilosophen ansehen, müssen wir diese Frage verneinen. Die meisten von ihnen lehren
     an Schulen und Universitäten, widmen sich ihrem Gegenstand mit der gleichen Distanz und Routine wie Meeresbiologen oder Anlageberater,
     unterhalten sich nach Feierabend mit Freunden über Fußball oder mähen ihren Rasen. Ihr Alltag und ihre Haltung zum Leben unterscheiden
     sich in der Regel nicht von denen anderer Menschen, die nichts mit Philosophie zu tun haben.
    Das Beispiel des spätrömischen Philosophen Anicius Manlius Torquatus Severinus Boethius zeigt uns aber, in welch enge, geradezu
     existenzielle Beziehung die Philosophie zum Leben eines Menschen treten kann. Boethius schrieb sein berühmtestes Buch,
Philosophiae Consolationis
, zu Deutsch:
Trost der Philosophie
, zu einem Zeitpunkt, als er im Gefängnis saß und wusste, dass ihm der Tod bevorstand. In dieser Situation, in der es keine
     Zeit mehr zu verlieren gab und sich das Wichtige vom Unwichtigen schied, wandte er sich der Philosophie zu und machte sie
     zur Begleiterin, Beraterin und Gesprächspartnerin.
    Dabei lässt er viele der Motive anklingen, die die antike Philosophie über tausend Jahre hinweg bestimmt hatten. Vor allem
     aber besinnt er sich auf ihre ursprüngliche Aufgabe: den Menschen weise zu machen und ihm Lebensorientierung zu geben.
Trost der Philosophie
ist nicht die theoretische Übung eines Gelehrten, der eine erzwungene Untätigkeit damit überbrückt, sich die Tradition zu
     vergegenwärtigen. Es ist vielmehr philosophische Praxis im ursprünglichen Sinn: der Versuch, im Angesicht des Todes die Inhalte des Denkens
     unmittelbar mit der Aufgabe der Lebensbewältigung zu verknüpfen.
    Dies geschah, wenige Jahre bevor die berühmteste Institution der antiken Philosophie, die von Platon begründete Akademie,
     529 in Athen geschlossen wurde. Die Philosophiehistoriker setzen mit diesem Datum das Ende der Antike und den Beginn der mittelalterlichen
     Philosophie an.
Trost der Philosophie
wird damit zum Schwanengesang antiker Weisheit, ein Nachruf auf eine große Denktradition und zugleich ein philosophisches
     Testament für die Nachwelt. Für seinen Autor enthielt es vor allem die Botschaft, dass die Philosophie es ist, die in den
     unberechenbaren Wechseln des Lebens bleibt und Halt gibt.
    Der aus einem alten römischen Adelsgeschlecht stammende Boethius hatte solche Wechsel in seinem eigenen Leben schmerzlich
     erfahren. Er, den Fähigkeiten, Glück und Gunst bis in die höchsten Staatsämter trugen, beschloss sein Leben als ein zum Tode
     verurteilter Staatsfeind. Wie viele seiner Zeitgenossen wurde auch er in den Strudel einer turbulenten historischen Epoche
     hineingerissen.
    Bereits Ende des 4.   Jahrhunderts hatte sich das Römische Reich in einen West- und einen Ostteil gespalten. Die Geburt des Boethius um 480 fiel
     bereits in die Zerfallszeit Westroms. Dessen letzter Kaiser, Romulus Augustus, war im Jahr 476 von dem germanischen Heerführer
     Odowaker abgesetzt worden, als dieser Italien eroberte. Zur Zeit von Boethius war Rom eine Stadt, deren Glanzzeit schon Geschichte
     war und die inzwischen ihre Hauptstadtfunktion im Osten zugunsten von Konstantinopel und im Westen zugunsten von Ravenna verloren
     hatte. 493 schließlich eroberten die Ostgoten, vom nördlichen Balkan kommend, Italien und setzten sich für einige Jahrzehnte
     als neue Herrscher fest. Unter der Herrschaft des Ostgotenkönigs Theoderich vollzog sich der Aufstieg und Fall des Boethius.
    Boethius wuchs im christlichen Glauben auf, der seit 391 im Römischen Reich Staatsreligion war. Doch die Geisteswelt der griechischen
     und römischen Literatur prägte seine Bildung sehr viel mehr. Schon von Jugend an beschäftigte er sich mit Philosophie. Einer
     langen Traditiondes römischen Adels folgend, ging er zum Studium nach Athen, der alten Hauptstadt der klassischen griechischen Philosophie.
     Zwar hatte die Stadt ihren Status als politisches Zentrum verloren, war aber eines der wichtigsten kulturellen Zentren geblieben.
    Boethius lernte hier während seines Studiums die vier einflussreichsten Philosophenschulen der Antike kennen, die alle von
     Athen ihren Ausgang genommen hatten: die Akademie Platons, die von Aristoteles begründete peripatetische (von griech. »peripatos«=
     »Wandelgang«) Schule, die Stoiker und die nach ihrem Gründer Epikur benannte epikureische Schule. Die Lehren aller vier Schulen
     waren durch römische Philosophen wie
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