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Das neue Evangelium

Das neue Evangelium

Titel: Das neue Evangelium
Autoren: Mattias Gerwald
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    Als Ludolf endlich eingetroffen war, konnten die Gefährten ihr restliches Gepäck verstauen. Ihre Pferde hatten sie bei einem Stallbesitzer gegen gedrungenere, kräftigere Tiere eingetauscht, die für die Anforderungen, die die hiesige Landschaft stellte, besser geeignet waren. Die neuen Pferde glichen eher zähen Maultieren, denen auch das Steigen auf Felsenhöhen nichts ausmachte.
    Uthman erzählte den anderen von dem Mann, der ihn vor dem Gasthof angesprochen hatte. Er lungerte noch immer dort herum. Im Moment stand er im Schatten einer Palme und starrte zu den Freunden herüber.
    »Soll ich mich näher mit ihm befassen?«, fragte Uthman.
    »Hältst du ihn für gefährlich?«, wollte Henri wissen.
    »Ich traue ihm nicht. Es war nicht nur Neugier, die ihn bewogen hat, mich anzusprechen. Vielleicht handelt er in irgendjemandes Auftrag.«
    »Oder er ist ein Büttel der Regierung. Ich denke, wir sollten ihn ignorieren. Wir machen uns einfach auf den Weg – aus den Augen, aus dem Sinn!«
    »Aufsitzen! Es geht los!«, rief Sean übermütig. »Endlich sind wir wieder unterwegs!«
    Die Gefährten ließen ihre Pferde antraben. Als sie an dem mysteriösen Fremden vorüberritten, senkte dieser den Blick und wandte sich ab. Uthman grüßte ihn mit ausladender Geste, dann stieß er einen Schrei aus und gab seinem Tier die Hacken. Der Fremde blieb zunächst bei der Palme stehen, doch als sich die Gefährten nach einer Weile umblickten, sahen sie ihn nicht mehr.
    Sie passierten die Stadttore von Lapethos, und kurze Zeit später ritten sie durch die weite Landschaft jenseits der Hafenstadt.
    Henri hatte geplant, die Küste entlang nach Osten zu reiten. In der Nähe des Klosters von Antiponitis, wo es bei Kalogräa eine Senke gab, würden sie sich südlich halten, um die beiden Gebirgshälften von Pentadaktylos zu umgehen. Bei der Halbinsel von Karpasia würde sich Joshua dann von ihnen trennen. Die anderen würden weiterreiten, bis sie das Gebirge von Mesaoria erreichten, das sie durchqueren mussten. Von dort ging es geradewegs nach Osten, in Richtung Enkomi und Salamis, den alten Stätten der Antike. In Salamis war Barnabas gesteinigt worden.
    Es zeigte sich, dass ihre neuen Pferde den landschaftlichen Verhältnissen hervorragend angepasst waren. Und das war gut so, denn der Boden war karstig, von Steinen übersät, Flechten und festes Buschwerk erschwerten das Vorankommen. Dann erreichten sie einen Pfad, der von Kaufmannszügen genutzt wurde. Das Meer zur Linken, das Gebirge zur Rechten, trabten sie dahin.
    An den Hängen des Gebirges erblickten sie imposante Klöster, von denen einige von zypriotischen Juden erbaut worden waren. Joshua betrachtete die Bauten neugierig. Henri wollte aber nicht anhalten. Sie hatten einen weiten Weg vor sich.
    Ludolf sprach von der Pilgerschaft im Allgemeinen und erzählte von den hiesigen Mönchsorden. Zypern schien geistliche Orden geradezu anzuziehen. Unter der Herrschaft des Hauses Lusignan waren zuerst die Augustiner nach Zypern gekommen, danach die Prämonstratenser, deren Ordensregel großen Einfluss ausübte. Sie besaßen das vom König verliehene Privileg, außerhalb ihrer Klöster zu Pferd ein goldenes Schwert und goldene Sporen zu tragen.
    »Das klingt nicht nach Askese!«, rief Uthman. »Ich dachte immer, die französischen Mönche seien mönchischer als alle anderen.«
    »Diese hier nicht! Man beklagt sich sogar darüber, dass sie ihre Messen nicht mehr halten, dass Frauen mit ihnen im Kloster leben und dass die Einkünfte solcher Klöster für ihre Kinder bestimmt sind.«
    »Dann werden die Klöster weder nach griechischen noch nach lateinischen Regeln geführt«, sagte Henri, »sondern eher nach türkischen oder arabischen!«
    »Ein Mönch erzählte mir einmal, einige Brüder besäßen drei Frauen«, bestätigte Ludolf.
    »Eine weniger, als ein Muslim besitzen darf, wenn er alle gleich behandelt und für sie aufkommen kann«, warf Uthman ein.
    Sie ritten weiter. Ludolf war ein angenehmer Begleiter. Er konnte unterhaltsam plaudern und erzählte interessante Geschichten. So verging der erste Tag wie im Flug. Als sie am Abend einen Rastplatz aufsuchten, von dem aus sie über das silbern funkelnde Meer blicken konnten, erzählte Ludolf auch von seiner eigenen Pilgerschaft.
    »Ich bin auch schon nach Spanien gepilgert, nach Compostella, wo die Gebeine von Jakobus dem Älteren gezeigt werden. In Jerusalem errichteten sie ihm zu Ehren eine Kirche. In Spanien stand der
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