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Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition)
Autoren: Leena Lehtolainen
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nicht fähig. Doch die Anwesenheit meiner Mutter hatte sich verstärkt. Ich erinnerte mich an ihre Stimme und ihren Geruch und konnte Fotos von ihr betrachten, ohne die Fassung zu verlieren. Ich vermisste sie inzwischen auf die gleiche Weise wie Onkel Jari. Es war ein schmerzliches und doch irgendwie tröstliches Gefühl.
    Als das Lammessen bereits im Gang und das erste Rotweinfässchen fast leer war, zog Juri mich beiseite.
    «Hier ist etwas, das ich dir schon den ganzen Tag geben wollte», sagte er.
    Die Leinwand war klein, nur zwanzig mal dreißig Zentimeter, aber der Mann auf dem Bild wirkte größer. Wie hatte Juri es geschafft, genau den Ausdruck einzufangen, der auf Hauptmeister Teppo Laitios Gesicht gelegen hatte, wenn er eine gute Zigarre rauchte? Die wenigen Begegnungen zwischen Juri und Laitio waren voller Spannung gewesen, alles andere als locker und jovial.
    Ich umarmte Juri, wie er es verdient hatte, und befestigte die Leinwand mit zwei Leisten am Geländer der Veranda, sodass Laitio bei uns war. Jouni servierte dem Porträt sogar ein Stück Lammfleisch, das er auf das Geländer legte wie das Opfer eines Indianers an die Geister.
    Nach Mitternacht brachte ich Deividas und Vanamo in der Kammer zu Bett. Sie schliefen bald ein, Rücken an Rücken wie zwei kleine Tiere, die einander vertrauten. In diesem Bett hatten auch Frida und ich geschlafen. Ich erinnerte mich immer noch an die Wärme von Fridas Fell an meiner Wange.
    Saara und Jaan saßen auf dem Bootssteg, Jaan redete eindringlich auf Saara ein, und sie legte ihm die Hand auf die Schulter. Vielleicht suchte Jaan nach Absolution, und Saara verstand sich darauf, sie zu erteilen. Jouni und David tranken am Grill Cognac, Juri malte im schwachen Licht der Sterne den Nachthimmel. Monika spülte auf der Saunatreppe Geschirr, wollte mich aber nicht beim Abtrocknen helfen lassen.
    Ich ging in Richtung Festland. Ich war es gewohnt, diesen Pfad in der Dunkelheit zu betreten, und je weiter die Lichter der Hütte hinter mir zurückblieben, desto deutlicher sah ich die Umgebung. Ich setzte mich auf einen Uferfelsen an der Landenge und lauschte dem Plätschern des Bachs. Alle anderen Geräusche waren verstummt, nicht einmal ein Prachttaucher rief auf dem See.
    Dann hörte ich ein kaum vernehmbares Plumpsen im Sand, spürte, wie sich Nüstern blähten und die Bewegung erstarrte. Ich drehte den Kopf nicht zur Quelle des Geräuschs hin, so gern ich es getan hätte. Ein paar Minuten lang saß ich reglos da, dann setzte die Bewegung wieder ein. Ein Luchs lief an mir vorbei, nur einige Meter entfernt. Der Größe nach war es ein Weibchen. Das Tier setzte seinen Weg am Ufer entlang in Richtung Osten fort. Nach zwanzig Metern blieb es stehen und sah mich an. Dann lief es ruhig weiter, als ob es mir signalisierte, es wisse, dass ich zu seinem Stamm gehörte.
    Als der Luchs verschwunden war, kehrte ich zum Lichtschein der Hütte zurück. Luchse streiften allein umher, sie paarten sich nur für kurze Zeit, die Weibchen bemutterten ihre Jungen ein knappes Jahr. Ich hatte mich in Gedanken immer auf die Luchse berufen, wenn ich niemanden an mich heranlassen wollte: Ich war eine von ihnen und konnte deshalb nicht gezähmt werden. Vielleicht hatte ich mich gerade deswegen in David verliebt, weil unsere Beziehung keine Chance hatte und der Jäger seine Kugel bald auf seine Beute abfeuern würde. Ein Luchs brauchte nicht über die Sitten der Menschen nachzudenken, er paarte sich mit dem, der ihm in der Brunst über den Weg lief. Doch ich wollte nicht für immer allein sein. Ich trat in den Lichtkreis vor der Hütte und schloss mich meiner Herde an.

Über Leena Lehtolainen
    Leena Lehtolainen, 1964 geboren, lebt und arbeitet in Degerby, westlich von Helsinki. Sie ist eine der erfolgreichsten und renommiertesten Schriftstellerinnen Finnlands.
    Bekannt wurde sie mit ihrer Krimireihe um die Anwältin und Kommissarin Maria Kallio. 2011 erschien bei Kindler «Die Leibwächterin», 2012 «der Löwe der Gerechtigkeit», die beiden ersten Bände der Thriller-Trilogie um die Personenschützerin Hilja Ilveskero.
     

Über dieses Buch
    Hilja Ilveskero hat sich als Leibwächterin der frisch verlobten Julia Gerbolt engagieren lassen, die sie zum Skifahren in die Schweiz begleitet. Als sie dort Julias Vater begegnet, fühlt sich Hilja sofort bedroht: Schließlich ist dieser Ivan Gezolian der weißrussische Waffenhändler, den Hiljas Exfreund, der Agent David Stahl, um illegales radioaktives
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