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Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition)
Autoren: Leena Lehtolainen
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wenn ich nur etwas in den Magen bekam. Dann würde auch mein Gehirn wieder funktionieren, und ich wäre fähig, den als Anton auftretenden David zur Rede zu stellen.
    Eilig machte ich mich auf den Weg zur Quelle des Käseduftes. Mein Geruchssinn führte mich an den richtigen Ort. Lescha saß bereits am Tisch und schaufelte sich Kartoffeln, Schinken und Raclettekäse auf den Teller. Am Herd arbeitete ein sehr schlanker, ebenholzschwarzer Mann, der sich umdrehte, als er meine Schritte hörte.
    «Madame Gerbolts Bodyguard?», erkundigte er sich auf Englisch mit starkem französischem Akzent. Als ich bejahte, trat er zu mir und küsste mich auf die Wangen, erst rechts, dann links, dann wieder rechts. So sei es in der Schweiz Brauch, erklärte er. Der Mann sagte, er sei Pierre, der Hauskoch, und zum Abendessen gebe es Raclette mit allem, was dazugehöre. Dann rückte er mir den Stuhl gegenüber von Lescha zurecht. Bevor ich ablehnen konnte, hatte Pierre mir bereits Weißwein eingegossen und machte sich wieder am Herd zu schaffen. Er trällerte auf Französisch vor sich hin. Die Melodie kam mir bekannt vor, wahrscheinlich hatte ich das Lied irgendwann einmal in einer anderen Sprache gehört. Pierre besaß eine tiefe, weiche Stimme, mit der er in den Karaoke-Bars von Helsinki Karriere gemacht hätte.
    Auch am Essen war nichts auszusetzen. Die Essiggurken und die Perlzwiebeln waren frisch. Lescha schüttelte den Kopf, als ich eine Gurkenhälfte in den Käse dippte.
    «Hierzulande wissen sie nicht, wie man Salzgurken zubereitet. Die russischen sind die einzig richtigen.»
    Das war eine eindeutige Aufforderung zum Gespräch. Es wäre idiotisch von mir gewesen, schweigend weiterzuessen. Aus taktischen Gründen pries ich den Geschmack der russischen Knoblauchgurken mit Honig. Wir sprachen über unsere Lieblingsspeisen. Lescha liebte Lammbraten und Bärenfleisch. Schon bald war es ganz natürlich, ihn zu fragen, wie lange er schon für Gezolian arbeitete.
    «Sehr lange! Seit zwölf Jahren. Iwan Romanowitsch ist ein guter Herr, ich sehe keinen Grund, die Stelle zu wechseln.»
    «Dann hast du Julia schon als Teenager gekannt.»
    Lescha lächelte. «Sie war eine magere Bohnenstange mit Pickeln und Zahnspange, und guck dir an, was für eine tolle Frau sie geworden ist! Der Finne kann sich glücklich schätzen, dass er einen solchen Schatz erobert hat. Er ist wohl ein wichtiger Mann in seinem Land.»
    Je näher die Parlamentswahl heranrückte, desto intensiver hatte Syrjänen über die Zusammensetzung der nächsten Regierung spekuliert und überlegt, wie er sie für seine Zwecke einspannen konnte. Kandidatinnen und Kandidaten seines Vertrauens hatten auf Umwegen Wahlspenden von ihm erhalten. Auch mich hatte er gefragt, ob ich ihm helfen und als Sponsorin eines seiner handzahmen Abgeordneten auftreten könne, während das Geld in Wahrheit aus seiner Tasche käme. Ich verstehe nichts von Politik, aber ich hatte ihm erklärt, in meinem Beruf sei es ratsam, sich an keine Partei zu binden.
    «Wir Leibwächter sind eine Art Berufssoldaten. Wir dienen unserem jeweiligen Arbeitgeber, aber wir ergreifen nicht Partei.»
    Syrjänen hatte die Ausrede geschluckt. Er schien in mir immer noch eher eine Gesellschafterin seiner Verlobten zu sehen als einen Sicherheitsprofi.
    Pierre hatte die nächsten Portionen fertig. Er tanzte gewissermaßen um den Herd, und ich musste an den mürrischen Jouni denken, den am ganzen Körper tätowierten Koch des Restaurants Sans Nom, der sich eckig bewegte und es strikt ablehnte, den hochtrabenden Titel Küchenchef zu verwenden. Jouni und Pierre unterschieden sich wie Tag und Nacht. Pierre rückte seinen Kragen zurecht, setzte die Kochmütze auf, grinste mich an und machte sich mit seinem Servierwagen auf den Weg zum Speisezimmer. Ich packte die Gelegenheit beim Schopf.
    «Und Anton, der Chauffeur? Ist er auch schon so lange bei Gezolian wie du?»
    Lescha hatte gerade eine Kartoffel in den Mund gesteckt und nuschelte undeutlich.
    «Das ist nicht Gezolians Chauffeur, sondern der des Chalet-Besitzers. Er durfte nicht mit nach Florida, deshalb ist er sauer. Irgendein Este, bei dem man schon froh sein muss, dass er bereit ist, Russisch zu sprechen.
Rääki, rääki
.» Feixend ahmte Lescha ein estnisches Wort nach. «Verstehen Finnen und Esten gegenseitig ihre Sprache?»
    «Teilweise.» Wie in aller Welt hatte David es geschafft, eine Stelle bei Gezolians Bekanntem zu ergattern? Wer war überhaupt der Besitzer des
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