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Das nasse Grab

Das nasse Grab

Titel: Das nasse Grab
Autoren: Horst Hoffmann
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auf die Klinge. Einige der Ausgestoßenen stießen heisere Schreie aus.
    »Du änderst nichts, indem du mich tötest«, sagte der Verfemte. »Keiner von uns war in dieser Nacht bei den Klippen! Wenn dort ein Ritual vorgenommen wurde, so nicht von uns! Es müssen Bewohner der anderen Inseln gewesen sein!«
    Gudun legte die Hand auf Gormas Arm, als sie sah, wie sich ihre Muskeln zum tödlichen Stoß spannten. Sie schüttelte den Kopf.
    »Es war zwar dunkel«, flüsterte sie der Gefährtin zu, »aber wir konnten die Gesichter unserer Gegner erkennen. Sieh dir diese Menschen hier an, Gorma. Erkennst du nur einen von ihnen wieder?«
    Gorma blickte in Mienen, die nicht mehr nur Furcht ausdrückten. Sie sah den gleichen Haß, der ihr schon bei der ersten Begegnung entgegengeschlagen war.
    »Ihr habt sie versteckt!« fuhr sie die Zusammengedrängten an.
    »Nein! Durchsucht die Stadt! Sucht am Strand und in den Hügeln! Wir haben unsere Häuser nicht verlassen!« Der Sprecher sah Artiki, die sich hinter einer Amazone versteckte. Anklagend deutete er auf sie. »Sie hat euch aufgewiegelt!«
    »Laßt uns fliehen«, drängte Artiki sofort wieder. »Vielleicht waren es wirklich Bewohner der anderen Inseln!«
    »Das sagst ausgerechnet du?« fragte Gudun zornig.
    Bevor es jemand verhindern konnte, sprang eine Frau aus der Mitte der Verfemten auf und schleuderte einen Stein, der Artiki traf. Mit einem erstickten Laut brach diese zusammen.
    »Haiti Wartet!« zischte sie, als Gorma sich auf die Ausgestoßene stürzen wollte. Artiki blutete, aber sie hatte das Bewußtsein nicht verloren. Sie preßte die Zähne zusammen, als sie sich aufrichtete.
    »Ich habe geschwiegen, doch nun soll der Zorn der Meermutter über sie alle kommen! Ihr könnt sie töten, aber erfahren werdet ihr von ihnen nichts. Zu groß ist ihre Furcht vor der Anemona!« Ihre Stimme bebte vor Haß. »Laßt ihnen ihr jämmerliches Leben und folgt mir. Ich werde euch führen! Ich bringe euch nach Ngore!«
    »Nein!« schrie jemand. »Verflucht sollst du sein! Wir wußten, daß du eine Verräterin bist, Artiki! Aber das wirst selbst du nicht wagen!«
    »Und ob ich es wagen werde! Bisher waren alle meine Gedanken auf Flucht von hier gerichtet! Aber jetzt bringe ich die Amazonen zum Heiligtum! Dort werden sie finden, wonach sie suchen, und ich flehe zu den Göttern der Menschen, daß sie der Anemona ihre Opfer noch werden entreißen können – auf daß der ganze Zorn der Meermutter über euch und eure Nachkommen komme!«
    »Nein!«
    Der entsetzte Aufschrei kam aus vielen Kehlen. Die Verfemten stürzten sich auf die Amazonen. Mit der flachen Klinge schickten Gorma und Gudun die Angreifer zu Boden und nahmen Artiki in ihre Mitte. Hin und her wogte der Kampf. Die Ausgestoßenen kämpfen mit dem Mut der Verzweiflung. Unglaubliche Angst mußte sich in ihre Herzen geschlichen haben. Aber sie waren den Waffen und der Kampfkraft der Kriegerinnen hoffnungslos unterlegen.
    Einer nach dem andere brach betäubt zusammen. Andere bluteten, doch erst, als ihre Kräfte sie verlassen hatten, sanken sie zu Boden.
    »Keiner von euch wagt, uns zu folgen!« rief Gorma, »oder er bezahlt es mit seinem Leben!«
    Sie drehte sich zu Artiki um und wischte sich Schweiß aus der Stirn.
    »Wo liegt Ngore? Was hat es mit diesem Heiligtum auf sich?«
    »Sag es ihnen nicht!« flehte eine grünhäutige Frau. »Versündige dich nicht noch mehr!«
    »Ngore ist die südlichste Insel im Nassen Grab«, schrie Artiki sie haßerfüllt an. Sie lachte irr. »Dort befindet sich eine Opferstätte der Anemona! Und dort werden die Kriegerinnen die Gesuchten finden, wenn es sie noch zu finden gibt!«
    »Ngore«, murmelte Sosona. Wieder setzte sie ihre geheimnisvolle Miene auf und nickte langsam. »Ja, ich denke, das sollte unser Ziel sein.«
    Gudun starrte sie an.
    »Was weißt du?« fragte sie eindringlich. »Sag es uns endlich! Es geht um das Leben der Zaem!«
    »Dann sollten wir keine Zeit mehr verlieren«, antwortete die Hexe nur.
    Und was sie nicht mit Worten zu sagen vermochte, das verriet der Klang ihrer Stimme.
    Gudun schauderte.
    »Kommt!« rief sie den Kriegerinnen zu. »Und ihr Götzenanbeter, hütet euch davor, uns zu folgen, oder die Tritonen können sich eure toten Leiber im Meer holen kommen!«
*
    »Zum Strand«, sagte Artiki hastig. Sie hatte es sehr eilig, den Platz zu verlassen. »Wir nehmen ihre Boote.«
    »Sie hat recht«, stimmte Sosona zu. »Mit der Sturmbrecher können wir schwerlich in diesem
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