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Das nasse Grab

Das nasse Grab

Titel: Das nasse Grab
Autoren: Horst Hoffmann
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verlassen. Jeweils zwei von uns dringen durch eine andere Gasse in die Stadt ein. Nehmt alle Bewohner mit, die ihr zu fassen bekommt. Durchsucht alle Häuser und laßt keinen entkommen. Tötet sie nicht, aber zeigt ihnen, was sie von uns zu erwarten haben!«
    Sie brauchte es den Kriegerinnen nicht zweimal zu sagen.
    Sie schwärmten in Zweiergruppen aus. Gudun, Gorma, Sosona und drei andere Amazonen hielten sich hinter einem Felsen versteckt, bis ihnen ihre Kriegerinnen überall um die Stadt herum durch aufblitzende Schwerter zu verstehen gaben, daß sie ihre Positionen eingenommen hatten.
    Im Licht der blutrot aufgehenden Sonne antworteten sie ihnen auf die gleiche Weise. Sie sprangen auf und rannten den Abhang hinunter. So leise wie möglich näherten sie sich den Gebäuden und drangen in Loma ein.
    Hatte oben auf den Anhöhen eine frische Brise würzige, kühle Luft vom Meer gebracht, so schlug ihnen nun wieder der bekannte Gestank entgegen. Gudun und ihre Begleiterin Marti durchkämmten jeden Winkel der gewählten Gasse mit gezückten Schwertern, stießen ins Dunkle vor, wenn sie in den langen Schatten eine Bewegung zu erkennen vermeinten, und zerfetzten die Vorhänge vor den Häusereingängen.
    Die Ausgestoßenen hockten eingeschüchtert in ihren Behausungen. Scheu, wie bei ihrer ersten Begegnung, blickten sie den Amazonen entgegen – Männer, Frauen und Kinder.
    Überrascht wechselten die Kriegerinnen einen Blick. Gudun hatte erwartet, höchstens ein Dutzend Verfemte zu finden, falls überhaupt noch jemand im Dorf wäre.
    »Steh auf!« rief sie hart. Sie gestikulierte mit dem Schwert. »Los, beeilt euch!«
    Nur zögernd kamen die Grünhäutigen der Aufforderung nach.
    »Auch die Kinder?« fragte eine Frau, deren Alter unbestimmbar war.
    »Sie können hierbleiben.«
    Gudun bemerkte, daß die Kinder noch mehr Ansätze zur Verwandlung zeigten als ihre Eltern. Sie mußte unwillkürlich an Artikis Worte denken. Aber konnten sich Menschen denn wirklich zu Geschöpfen entwickeln, die eines Tages nur noch im Meer leben würden? Ging ihre Besessenheit, der Anemona zu dienen, wahrhaftig so weit?
    Dies war nicht der Augenblick, sich darüber Gedanken zu machen. Gudun und Marti trieben die Ausgestoßenen vor sich her auf die Gasse und auf den freien Platz zu, an dem die Kriegerinnen sich treffen wollten.
    Sie wechselten sich darin ab, die Verbannten zu bewachen und weitere aus ihren Häusern herauszuholen. Die Verfemten leisteten keinen Widerstand. Sie schienen nicht zu begreifen, warum die Amazonen zurückgekehrt waren – oder sie verstellten sich meisterlich.
    Auf dem Platz angekommen, hatten Gudun und Marti mehr als ein Dutzend Männer und Frauen zusammengetrieben, und aus allen Richtungen kamen Kriegerinnen mit anderen.
    Sie drängten die Ausgestoßenen auf engstem Raum zusammen und bildeten wieder einen Kreis um sie.
    »Unschuldige Lämmer!« fluchte Gorma. »Seht sie euch an! Als ob sie kein Wässerchen trüben könnten!«
    Gudun trat vor die Inselbewohner hin.
    »Ihr wißt alle, warum wir hier sind«, begann sie. »Zwei unserer Gefährtinnen wurden von euch bei den Klippen dem Meervolk geopfert! Wir könnten euch allen dafür die Köpfe abschlagen, aber wir wollen nur die Schuldigen! Euch andere lassen wir in Frieden, wenn ihr uns endlich verratet, was ihr über die Zaubermutter und die Amazone wißt, die mit dem Regenbogenballon kamen! Weigert ihr euch aber weiterhin, so mögen die Götter mein Zeuge sein, daß von euren Häusern kein Stein auf dem anderen bleibt, daß wir eure Netze zerschneiden und die Boote zerschlagen!«
    Sie fing einen Blick von Gorma auf. Der Schrei nach bitterer Vergeltung für Telmis und Sinakas Schicksal war noch nicht verhallt.
    »Worauf wartet ihr? Stoßt die Schuldigen aus eurer Mitte, bevor ihr alle für sie büßen müßt! Wir spaßen nicht, und unsere Geduld ist zu Ende!«
    Eisiges Schweigen schlug den Kriegerinnen entgegen.
    »Gebt sie heraus!« schrie Gorma. Blitzschnell stieß sie vor und zerrte einen Mann in die Höhe. Sie setzte ihre Klinge an seinen Hals. »Gebt uns die Schuldigen und beantwortet unsere Fragen, oder er stirbt als erster!«
    »Nein!« schrie der Verfemte. »Wir… wissen nicht, wovon ihr redet!«
    »So?«
    Gorma stieß ihn von sich, packte seinen Arm und wirbelte ihn herum.
    »Ihr wißt nichts mehr? Ihr wart auch nie bei den Klippen und habt das Meervolk beschworen? Ihr habt euch in dieser Nacht nicht mit ihm in den Fluten vereint?«
    Entsetzt starrte der Mann
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