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Das Muster der Liebe (German Edition)

Das Muster der Liebe (German Edition)

Titel: Das Muster der Liebe (German Edition)
Autoren: Debbie Macomber
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war der Schmerz, den ich in den Augen meines Vaters sah. Er konnte, mehr als jeder andere, nachvollziehen, was ich während der ersten Behandlung durchgemacht hatte.
    Meine Mutter war noch nie gut darin gewesen, mit Kranken und Krankheiten umzugehen. Es war mein Vater, der für mich da war. Er wusste, dass er nichts tun konnte, um diesen zweiten Schlag für mich erträglicher zu machen. Ich war vierundzwanzig, steckte mitten im Studium und bereitete mich gerade auf eine wichtige Prüfung vor. Aber es half nichts: Ich musste mein Studium abbrechen.
    Ich habe den Krebs zweimal überlebt. Deshalb bin ich gewiss nicht mehr das unbeschwerte Mädchen, das ich früher einmal gewesen war. Ich genieße jeden einzelnen Tag, weil ich genau weiß, wie wertvoll das Leben ist. Die meisten Menschen schätzen mich auf jünger als dreißig. Gleichzeitig halten sie mich aber für sehr viel reifer als andere Frauen meines Alters. Meine Erfahrungen mit dem Krebs lehrten mich, nichts als selbstverständlich hinzunehmen – am wenigsten das Leben selbst. Aber in gewisser Weise wurde ich auch für mein Leiden entschädigt. Mein Dad machte mich darauf aufmerksam, dass ich seitdem weiser als die meisten in meinem Alter war. Vielleicht hatte er sogar recht damit. Und trotzdem bin ich in manchen Lebensbereichen noch immer unglaublich unerfahren – vor allem in Bezug auf Männer und Beziehungen.
    Während ich den Krebs zweimal überlebte, schaffte Dad das nicht. Mein zweiter Tumor brachte ihn um. Das jedenfalls glaubte meine Schwester Margaret. Sie hat es nie ausgesprochen, aber ich wusste, dass sie so dachte. In Wahrheit glaubte auch ich, sie hätte möglicherweise recht damit. Es war ein Herzinfarkt, der ihn tötete. Nach meiner zweiten Diagnose war er um Jahre gealtert. Ich weiß, wenn er mit mir hätte tauschen können, hätte er es gern getan.
    Sooft es ihm nur möglich war, saß er an meinem Bett. Und genau das war der Punkt, den Margaret nicht vergessen oder vergeben konnte – die Liebe und die Hingabe, die Dad während dieser Zeit für mich aufbrachte. Und Mom, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, ebenso.
    Margaret war bereits verheiratet und Mutter von zwei Kindern, ehe der zweite Tumor überhaupt entdeckt wurde. Trotzdem fühlte sie sich durch meine Erkrankung in gewisser Weise betrogen. Sie glaubte, dass es
meine
Entscheidung war, krank zu werden und diesen Weg einem normalen Leben vorzuziehen.
    Unnötig zu erwähnen, dass unser Verhältnis zueinander angespannt war. Doch meiner Mutter zuliebe versuchte ich mein Möglichstes, mich mit Margaret zu verstehen – besonders seit Dad tot war. Sie machte es mir jedoch nicht leicht. Ihre Verbitterung konnte sie nur schwer verbergen. Dabei war es egal, wie viele Jahre mittlerweile vergangen waren.
    Margaret hatte mir von der Eröffnung eines Wollgeschäfts abgeraten. Aber sie hätte wahrscheinlich grundsätzlich versucht, mir alles auszureden, was ich mir vornahm. Ihre Augen begannen bei der Aussicht auf mein Versagen zu leuchten. Laut Statistik gehen die meisten neu eröffneten Läden im ersten Jahr in Konkurs. Und trotzdem hatte ich das Gefühl, meiner Idee eine Chance geben zu müssen.
    Die finanziellen Mittel hatte ich. Das Geld stammte aus dem Erbe meiner Großmutter mütterlicherseits. Sie starb, als ich zwölf war. Mein Vater hatte das Geld geschickt angelegt. So konnte ich nun auf einen beachtlichen “Notgroschen” zurückgreifen. Ich hätte es – laut meiner Mutter – für schlechte Zeiten behalten sollen, aber seit meinem sechzehnten Lebensjahr gab es nichts anderes als schlechte Zeiten. Deshalb wollte ich das Geld nicht länger sparen. Tief in meinem Inneren wusste ich, dass Dad meine Entscheidung gutgeheißen hätte.
    Das Stricken hatte ich während der Chemotherapie gelernt. Über die Jahre entwickelte ich eine gewisse Fingerfertigkeit darin. Dad scherzte immer, dass ich mit all der Wolle, die ich besäße, einen eigenen Laden aufmachen könne. Und irgendwann vor nicht allzu langer Zeit beschloss ich, seine Worte in die Tat umzusetzen.
    Ich liebe es, zu stricken. Es verschafft mir ein gewisses Wohlbehagen, das ich nicht erklären kann. Die Wolle um die Nadel zu legen und eine Masche zu formen – wieder und wieder – erfüllt einen Zweck, spiegelt die eigene Leistung wider und macht den Fortschritt sichtbar. Wenn sich die Welt aufzulösen scheint, versucht man eine Ordnung herzustellen –, und das Stricken erlaubt mir genau das. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass man durch
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