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Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.

Titel: Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.
Autoren: Henry Slesar
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Ar­beitszimmer und holte die Puppe hervor. Joeys Ge­sichtsausdruck war merkwürdig.
    »Stimmt was nicht?« fragte Bill.
    »Ich weiß nicht.« Er schürzte die Lippen. »Ich mag das Ding einfach nicht, das ist alles.«
    »Sie ist echt ...«
    »Das bestreite ich ja nicht. Bloß kriege ich bei ihrem Anblick eine Gänsehaut. Bei solchen Sachen immer.«
    Bill lachte unsicher. »He, du glaubst doch nicht wirklich an diesen Quatsch, oder?«
    »Nein, natürlich nicht.« »Also?«
    »Ich bin mir nicht sicher, was ich fühle. Ich für mein Teil glaube nicht daran. Aber wer bin ich schon? Ich bin in meinem ganzen Leben nicht aus New York rausgekom­men, vier Wochen in Fort Benning ausgenommen. Was weiß ich über Voodoo-Puppen? Was sollte mir das Recht geben zu sagen, sie funktionierten nicht?«
    Sein Partner lachte. »Also wirklich, das ist eine neue Platte. Ich wußte ja, daß du auf die Sache nicht scharf bist, aber nicht, daß so was dahinterstecken könnte.«
    »Okay, ich hab ne Meise, ich kann’s nicht ändern.«
    »Nein, nein, ich verstehe dich schon, Joey. Ich meine, ich kann deine Gefühle respektieren. Ich bin ja auch kein Experte in Sachen Aberglaube. Ich halte das alles zwar für Käse, aber hast du mich schon mal gesehen, wenn ich Salz verschütte? In Null Komma nix über die Schulter damit. Bloß um alles in der Welt, eine Voodoo-Puppe ...«
    »Würdest du mir einen einzigen Gefallen tun?« sagte Joey plötzlich. »Es wird verrückt klingen.«
    »Sag’s schon.«
    »Laß uns das verdammte Ding ausprobieren.«
    »Was?«
    »Wir probieren es aus. Gleich jetzt.«
    »Wie meinst du das, ausprobieren?«
    »Ich stelle mich zur Verfügung. Ich gebe dir ein paar ab­geschnittene Fingernägel und etwas Haar, und du stopfst das alles in die verdammte Stoffpuppe, und dann sehen wir, was passiert.«
    »Hast du den Verstand verloren?«
    »Okay, ich habe den Verstand verloren.« Joey runzelte die Stirn. »Nur um mich zu vergewissern, stelle ich mich freiwillig zur Verfügung. Wir machen eine richtige Voodoo-Puppe daraus, und du steckst eine kleine Nadel rein. Wenn ich dann nicht au sage, wird mir bei dem ganzen Projekt wohler sein.«
    Bill sah ihn eine Weile an, als versuchte er herauszufin­den, wie ernst es ihm sei. Als sich Joeys Gesichtsausdruck nicht veränderte, zuckte er mit den Achseln und ging zu seinem Schreibtisch. In der Tiefe der Schublade fand er eine kleine Schere und brachte sie seinem Partner. Ernst­haft schnitt Joey ein wenig von den Nägeln seiner linken Hand ab und dann eine kleine Strähne seines blonden Haars. Bill untersuchte die Puppe einen Augenblick lang und zerteilte dann den blauen Stoff auf der Vorderseite, um an die Füllung zu kommen. Er stopfte das Haar und die Fingernägel hinein und zog den Stoff ringsherum wie­der straff.
    »Okay«, sagte er. »Und was nun?«
    »Hast du eine Nadel?«
    Bill suchte herum, aber auf seinem vollgehäuften Schreibtisch fand sich alles, bloß keine Nadel. Schließlich war er gezwungen, die im Flüsterton abgehaltene Konfe­renz in der Küche zu unterbrechen und Claire um eine Na­del zu bitten. Ohne sich in ihrem Satz zu unterbrechen, zog sie eine aus ihrer Schürze heraus und gab sie ihm. Er ging mit ihr ins Arbeitszimmer zurück, wo Joey noch ge­nauso in seinem Sessel saß wie vorher.
    Bill nahm die Puppe in die linke Hand. »Wohin willst du sie haben?« fragte er leichthin.
    »Ins Bein. Und mach’s um Gottes willen vorsichtig; mir wird schon ganz anders, wenn ich bloß dran denke.«
    Bill nahm die Nadel und berührte mit ihrer Spitze lang­sam und vorsichtig das Stoffbein der Puppe.
    Joey atmete hörbar ein.
    »Du hast es gespürt?« stieß Bill hervor.
    Joey rieb sein rechtes Bein. »Nein«, sagte er mit hochge­zogener Augenbraue. »Nicht das geringste.«
    Bill seufzte erleichtert und fing dann an zu lachen. »Jun­ge, einen Augenblick lang …«
    »Probieren wir’s noch mal. Stich diesmal richtig zu.«
    Bill tat, was er sollte, und beobachtete dabei das Gesicht seines Partners. Als Joey keine Reaktion zeigte, wurde er kühner und stach die Puppe in die rechte Schulter. Immer noch nichts. Schließlich durchstach er ihren Stoffleib.
    »Mann«, sagte Joey, »komm ich mir blöd vor.« Dann lachte er laut. Bill fiel in sein Lachen ein, und sie hörten erst auf, als die Frauen, neugierig geworden, ins Arbeitszimmer kamen und wissen wollten, was ihnen entgangen sei.
    Der nächste Tag war ein Sonnabend, aber trotz Claires umfangreicher Liste mit häuslichen Jobs,
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