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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum
Autoren: Stephen King
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Holzschnitt. Dieses Buch ist für James Gardener. Den Mann, den sie hatte anrufen wollen. Der zweite von den nur drei Männern, mit denen sie je Sex gehabt hatte, und der einzige, der je imstande gewesen war, sie zum Orgasmus zu bringen. Nicht dass sie dem irgendeine besondere Bedeutung beimaß. Jedenfalls nicht sehr. Dachte sie. Oder glaubte, dass sie es dachte. Oder sonst etwas. Außerdem spielte es keine Rolle; auch diese Zeit gehörte der Vergangenheit an.
    Sie seufzte und stellte das Buch wieder ins Regal, ohne sich die Gedichte anzusehen. Nur eines davon war wirklich gut. Sie hatte es im März 1972 geschrieben, einen Monat, nachdem ihr Großvater an Krebs gestorben war. Alle anderen waren Dreck – den flüchtigen Leser konnte man damit narren, denn sie war eine begabte Schriftstellerin – aber das
Herz ihres Talents lag anderswo. Nachdem sie Hangtown veröffentlicht hatte, hatte der Kreis der Schriftsteller, die sie gekannt hatte, sie verstoßen. Alle, mit Ausnahme von Jim, der Boxing the Compass damals verlegt hatte.
    Nicht lange, nachdem sie nach Haven gekommen war, hatte sie Sherry Fenderson einen langen, schwatzhaften Brief geschrieben, und als Antwort lediglich eine schroffe Postkarte erhalten: Bitte schreib mir nicht mehr. Ich kenne Dich nicht. Unterschrieben mit einem hingekritzelten S., so schroff wie die Karte selbst. Sie hatte auf der Veranda gesessen und über dieser Postkarte geweint, als Jim aufgetaucht war. Warum weinst du darüber, was diese dumme Frau denkt?, hatte er sie gefragt. Möchtest du wirklich dem Urteil einer Frau glauben, die herumläuft, »Alle Macht dem Volke« schreit und nach Chanel Nummer Fünf riecht?
    Sie ist eine gute Dichterin, hatte sie geschnieft.
    Jim hatte ungeduldig gestikuliert. Das macht sie nicht älter, hatte er gesagt, oder versetzt sie nicht in die Lage den heuchlerischen Quatsch zu widerrufen, den ihr andere Leute in den Kopf gesetzt haben und den sie jetzt selbst vertritt. Komm zur Vernunft, Bobbi. Wenn du weiter das tun möchtest, was dir Spaß macht, dann komm verdammt noch mal zur Vernunft, und hör verdammt noch einmal auf zu weinen. Dieses beschissene Weinen macht mich krank. Dieses beschissene Weinen macht, dass ich kotzen möchte. Du bist nicht schwach. Ich erkenne Schwäche, wenn ich sie sehe. Warum möchtest du etwas sein, was du nicht bist? Deine Schwester? Ist die der Grund? Sie ist nicht hier, und sie ist nicht du, und du musst sie nicht hereinlassen, wenn du nicht willst. Heul mir nichts mehr von deiner Schwester vor. Werd erwachsen. Hör auf zu zicken.
    Sie erinnerte sich jetzt, dass sie ihn erstaunt angesehen hatte.

    Es ist ein großer Unterschied zwischen dem, gut in dem zu sein, was man TUT, und schlau bei dem zu sein, was man WEISS, hatte er gesagt. Lass Sherry etwas Zeit, erwachsen zu werden. Lass dir selbst etwas Zeit, erwachsen zu werden. Und hör auf, dein eigenes Geschworenengericht zu sein. Das ist langweilig, ich will mir nicht anhören, wie du flennst. Nur Trottel flennen. Hör auf, ein Trottel zu sein.
    Sie hatte ihn gehasst, geliebt, hatte alles von ihm gewollt und nichts. Hatte er gesagt, dass er Schwäche erkannte, wenn er sie sah? Junge, das sollte er auch. Er war verquer. Das hatte sie schon damals gewusst.
    Also, hatte er gesagt, möchtest du mit einem ehemaligen Verleger vögeln, oder möchtest du wegen dieser albernen Postkarte weinen?
    Sie hatte mit ihm gevögelt. Sie wusste damals wie heute nicht, ob sie mit ihm vögeln wollte, aber sie hatte es getan. Und geschrien, als sie kam.
    Das war kurz vor dem Ende gewesen.
    Auch daran erinnerte sie sich – dass es kurz vor dem Ende gewesen war. Er hatte nicht lange danach geheiratet, aber es wäre auch so kurz vor dem Ende gewesen. Er war schwach, und er war verquer.
    Ist sowieso einerlei, dachte sie und gab sich den guten alten Rat: Lass es sein.
    Leichter gesagt als getan. Es dauerte lange, bis Anderson in dieser Nacht einschlafen konnte. Alte Geister waren erwacht, als sie das Buch mit ihrer Pennälerlyrik aus dem Regal genommen hatte … Vielleicht lag es aber auch an dem starken, warmen Wind, der in den Dachtraufen heulte und durch die Bäume pfiff.
    Sie hatte es fast geschafft, als Peter sie aufweckte. Peter heulte im Schlaf.
    Anderson stand eilig und ängstlich auf – Peter hatte zuvor
schon im Schlaf alle möglichen Geräusche von sich gegeben (ganz zu schweigen von einigen unglaublich üblen Hundefürzen), aber er hatte noch nie geheult. Es war, als erwachte man durch
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