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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum
Autoren: Stephen King
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um sich vom Trauma der Pubertät zu erholen, von ihrer Schwester und ihrem unvermittelten, verwirrten Rückzug (Kapitulation hatte Anne es genannt) vom College, aber aus ein oder zwei Jahren waren fünf geworden, aus fünf zehn, aus zehn dreizehn, und nun schau her, Peter ist alt, und du hast schon einen Gutteil Grau in diesem Haarschopf, der einst so schwarz war wie der Fluss Styx (vor zwei Jahren hatte sie versucht, es kurz geschoren zu tragen, beinahe ein Punkschnitt, und hatte entsetzt festgestellt, dass man das Grau nur noch besser sah; seither hatte sie es wachsen lassen).
    Mittlerweile glaubte sie, dass sie den Rest ihres Lebens in Haven verbringen konnte, mit Ausnahme des Pflichtbesuchs, den sie ihrem Verleger in New York alle ein oder zwei Jahre abstattete. Die Stadt packte einen. Die Gegend packte einen. Das Land packte einen. Und das war nicht so schlecht. Möglicherweise war es so gut wie alles andere.
    Wie eine Platte. Eine Metallplatte.
    Sie brach einen kurzen Ast voll frischer grüner Blätter ab und schwenkte ihn über dem Kopf. Die Stechmücken hatten sie entdeckt und schienen entschlossen zu sein, ihren Nachmittagstee bei ihr zu nehmen. Stechmücken schwirrten
um ihren Kopf … und in ihrem Kopf schwirrten die Gedanken wie Stechmücken. Die ließen sich nicht wegscheuchen.
    Es hat eine Sekunde unter meinem Finger vibriert. Ich habe es gespürt. Wie eine Stimmgabel. Aber als ich es berührte, hat es aufgehört. Ist es möglich, dass etwas so in der Erde vibriert? Sicher nicht. Vielleicht …
    Vielleicht war es die Vibration eines Psi-Phänomens gewesen. Solchen Dingen stand sie nicht völlig ungläubig gegenüber. Vielleicht hatte ihr Verstand etwas an diesem vergrabenen Gegenstand gespürt und sie auf die einzige ihm mögliche Weise darauf hingewiesen, durch den Tastsinn: das Gefühl einer Vibration. Peter hatte ganz eindeutig etwas daran gespürt; er hatte sich von Anfang an zurückgezogen.
    Vergiss es. Das tat sie.
    Eine Weile.
    4
    In dieser Nacht kam ein starker, warmer, milder Wind auf, und Anderson ging auf die vordere Veranda hinaus, rauchte und hörte dem Wind zu, wie er ging und sprach. Einst – noch vor einem Jahr – wäre Peter mit ihr herausgekommen, aber jetzt blieb er im Wohnzimmer, wo er zusammengerollt auf seinem kleinen Häkelteppich vor dem Ofen lag, die Schnauze am Schwanz.
    Anderson wiederholte in Gedanken den letzten Blick auf die aus der Erde ragende Platte, und später war sie überzeugt, dass es einen Augenblick gegeben hatte – vielleicht, als sie die Zigarette auf den Kiesweg schnippte –, in dem sie beschloss, dass sie es ausgraben und feststellen würde,
was es war … obwohl ihr dieser Entschluss da noch nicht bewusst wurde.
    Ihr Verstand grübelte unablässig darüber nach, was es sein konnte, und diesmal ließ sie ihm freien Lauf – wenn der Verstand darauf beharrte, zu einem Thema zurückzukehren, wie sehr man sich auch bemühte, ihn abzulenken, so war es, wie sie gelernt hatte, das Beste, ihn zurückkehren zu lassen. Nur Besessene machten sich über Besessenheit Gedanken.
    Teil eines Gebäudes, wagte ihr Verstand eine Vermutung aufzustellen, ein Fertighaus. Aber niemand baute Wellblechbaracken im Wald – weshalb sollte jemand das ganze Metall hinausschaffen, wenn drei Männer imstande waren, innerhalb von sechs Stunden mit Beilen, Äxten und einer zweihändigen Motorsäge eine Holzfällerunterkunft hochzuziehen? Ebenfalls kein Auto, sonst wäre das herausragende Metall von Rost überzogen gewesen. Ein Motorblock schien etwas wahrscheinlicher zu sein, aber warum?
    Und nun, während die Dunkelheit sich herabsenkte, kehrte die Erinnerung an die Vibration mit unzweifelhafter Deutlichkeit zurück. Es musste ein Psi-Phänomen gewesen sein, wenn sie es überhaupt gespürt hatte. Es …
    Plötzlich stieg eine kalte und schreckliche Gewissheit in ihr auf: Jemand war dort begraben. Vielleicht hatte sie die Haube eines alten Autos oder einen alten Kühlschrank oder vielleicht sogar eine Art Stahltruhe freigelegt, aber was immer es in seinem oberirdischen Leben gewesen war, jetzt war es ein Sarg. Ein Mordopfer? Wer sonst konnte auf diese Weise begraben sein, in einer Kiste? Männer, die während der Jagdzeit in den Wald gingen und sich verirrten und dort starben, hatten normalerweise keine Metallsärge bei sich, in die sie sich hineinlegen konnten, wenn sie starben … Und selbst wenn man von dieser idiotischen Vorstellung
ausging, wer sollte die Erde wieder
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