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Das mittlere Zimmer

Das mittlere Zimmer

Titel: Das mittlere Zimmer
Autoren: Inge Lempke
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wieder laufen. Wo bist du?“
    „Ich bin in der Stadt. Hast du übrigens schon erfahren, dass Detektiv Bachmann einen schlimmen Unfall hatte?“
    Jetzt schwieg Johann sogar noch länger als beim ersten Mal. Als er sich wieder me ldete, klang seine Stimme beherrscht, klang nach Selbstbeherrschung unter größter Anstrengung. „Das ist ja furchtbar. Was hast du nun vor?“
    Wieso fragte er nicht, wie der Unfall passiert war? Egal, es wurde Zeit, dass sie i hren Plan durchführte und Johann unter Druck setzte. „Ich war bei einem Anwalt“, behauptete sie. „Ich hab ein paar Tagebuchseiten bei ihm hinterlegt. Die hab ich aus deinen Heften kopiert ... weißt du, es sind die, wo du die Morde beschreibst.“
    Johann schien nicht unerheblich aus seiner vorgetäuschten Ruhe gebracht, denn er fauchte: „Du glaubst doch wohl selbst nicht, dass die irgendeine Beweiskraft haben!“
    „Ach, und wieso nicht? Weil du das nicht willst?“ Sie sprach jetzt ein wenig von oben herab. Es konnte nicht schaden, ihn zu provozieren.
    Johann schwieg wieder. Doch plötzlich räu sperte er sich. „Also - was hast du vor?“
    Jetzt galt es, ihr , Anliegen‘ glaubwürdig vorzutragen. „Ich möchte mich mit dir aussprechen. Wir leben nicht mehr im 19. Jahrhundert, wir sind beide erwachsene Menschen. Wir werden die ganze Angelegenheit doch wohl vernünftig regeln können!“ Und nach kurzer Pause: „Ich will mich noch heute mit dir treffen!“
    Johann schien diesen Wunsch erst einmal verdauen zu müssen, denn er verstummte so grün dlich, dass Rike schon dachte, die Verbindung sei unterbrochen. Aber vielleicht ging er auch nur im Kopf sämtliche Möglichkeiten durch, die sich aus einer solchen Begegnung ergeben mochten.
    Als er sich wieder meldete, klang seine Stimme übertrieben harmlos: „Und wo möc htest du dich treffen? Bei dir oder bei mir?“
    Rikes Wut wurde größer. Er hielt sie für beschränkt! Für dumm! Für naiv, für schwachsinnig! Mit der rechten Hand zog sie den Zündschlüssel aus dem Schloss und kratzte damit vo ller Inbrunst über das schwarze Armaturenbrett des gestohlenen Wagens. Sie ließ ihren ganzen Zorn in ihre rechte Hand fließen und konzentrierte sich auf ihren Plan.
    Zweimal atmete sie tief durch und versuchte sogar zu lächeln, um ihre Stimme sanfter zu machen. „Ich schlage vor, wir treffen uns auf neutralem Boden. Was hältst du von der Kreuzung, wo uns am Mittwoch beinah der Laster erwischt hätte, und zwar gleich, um halb zehn? Was sagst du dazu?“
    Wieder schwieg Johann ausgiebig. Dann meinte er auf einmal: „Warum denn da? Wir kön nen uns doch auch in einem Restaurant zusammensetzen und ein Glas -“
    „Nein!“ , widersprach sie resolut. „Ich will nicht von den Leuten angeglotzt werden, wenn mir doch die Gefühle durchgehen!“
    Reichte ihm die Erklärung? Sie bot sich ihm als Opfer an, denn er schmiedete sicher schon wilde Pläne, wie er sie auf der dunklen Straße ins Jenseits befördern konnte.
    „Gut“ , willigte er denn auch auf einmal ein. „Wenn es dir so lieber ist, treffen wir uns eben da.“
    „Aber denk dran - wenn mir in den nächsten Tagen etwas zustößt, übergibt mein Anwalt die Papiere der Polizei!“
    „Ja natürlich “, meinte Johann, aber es klang, als glaube er ihr kein Wort. Oder falls er ihr doch glaubte, als sei er sicher, er könne das Problem mit viel Bargeld aus der Welt schaffen.
    Der Schlüssel grub tiefe, hässliche Kerben in den schwarzen Kunststoff. Sie musste das Gespräch unbedingt beenden, bevor ihre Gefühle außer Kontrolle gerieten. Sie fragte knapp: „Also, um halb zehn an der Kreuzung?“
    „Ja, ich komme“ , antwortete Johann ebenso knapp.
    Rike schaltete ihr Handy aus und las die Zeit von der Autouhr ab: 21.05 Uhr. Wenn sie nicht durch die Stadt, sondern außen herum über die Autobahn fuhr, konnte sie in fünfzehn Min uten an der Kreuzung sein. Sie schob den Schlüssel zurück ins Zündschloss, überprüfte, ob der Wagen genügend Benzin hatte, und machte sich auf den Weg.
    Als sie gegen 21.20 an der Kreuzung ankam, stand noch kein anderes Auto dort. Da sie wus ste, aus welcher Richtung Johann wahrscheinlich auftauchen würde, stellte sie den gestohlenen Wagen in Gegenrichtung auf der anderen Straßenseite etwa 50 Meter von der Kreuzung entfernt halb auf dem Grünstreifen am Straßenrand ab.
    Immer wenn sich auf einer der Straßen ein Auto näherte (was nur zweimal innerhalb der nächsten zehn Minuten geschah) ließ Rike den M otor an und
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