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Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben

Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben

Titel: Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben
Autoren: Jodi Meadows
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beugte mich über ihn, wobei ich auf die Schnittwunden in seinem Gesicht achtete, und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. Er lächelte erschöpft.
    »Und ich?«, murmelte Stef. »Kriege ich keinen Kuss?«
    »Tut mir leid, Stef. Aber ich werde deine Hand halten.« Die Gänge zwischen den Tragen waren so schmal, dass gerade ein
kleiner Stuhl hineinpasste und sonst nichts. Ich schob eine Hand in die von Stef, als sie wieder einschlief, und lehnte den Kopf an Sams Kissen, neben seinen.
    Als ich mit steifen Gliedern aufwachte, erhellte Tageslicht die verwüstete Stadt. Suchtrupps schwärmten nach den Vermissten aus, nur Meuric würden sie niemals finden. Ich wartete die ganze Zeit darauf, dass jemand mich für sein Verschwinden verantwortlich machte, aber als Sine vorbeikam, sagte sie mir nur, dass Sam und seine Freunde entlastet worden seien und ich wieder bei ihm wohnen dürfe.
    Als unser Wagen über Trümmer und den Marktplatz fuhr, spähte ich zum Tempel hinauf. Der Riss, den die Drachen ihm zugefügt hatten, schloss sich vor meinen Augen von selbst, und beinahe konnte ich das Echo von Janans Worten in dem Rumoren hören. »Fehler. Du bist ein belangloser Fehler.«
    Ich schlang die Arme um den Rucksack und versuchte, nicht hinzuhören, als der Fahrer von den zweiundsiebzig Menschen sprach, die gestorben waren, während der Tempel dunkel gewesen war.
    Zweiundsiebzig Menschen, die niemals zurückkommen würden.

KAPITEL 30
Nach dem Angriff
    Nichts wünschte ich mir mehr, als Sam für ein paar Tage für mich allein zu haben, aber Stef lud sich selbst zu uns ein. Sie wollte nicht allein sein.
    Ich machte ihr keinen Vorwurf und erhob keinen Protest. Sie war von Anfang an seine beste Freundin gewesen. Ich wusste nicht, wie tief ihre Gefühle füreinander waren, dennoch wusste ich, was es bedeutete. Als der Fahrer vor Sams Haus hielt, half ich auch Stef auszusteigen. Sie nahm mein Zimmer und ich das Wohnzimmer.
    Während sie sich erholten, tat ich, was ich konnte, um ihre Häuser wieder in Ordnung zu bringen. Li und der Rat hatten Sams Haus durchsucht, und Drachen waren durch jedes Viertel marodiert und hatten Säure gespien. Obwohl die Außenmauern sich selbst geheilt hatten, sobald der Tempel wieder geleuchtet hatte, waren das Innere der Häuser und die Nebengebäude zerstört.
    Ich begann meine Arbeit mit den Gärten und Meerschweinchen und Hühnerställen und mit anderen Dingen, die während des letzten Wintermonats Nahrung liefern würden. Ich kehrte Glassplitter zusammen und schleppte nutzlose Holzbretter zur Wiederaufbereitung fort. Ich kochte und putzte und tat alles, um mich zu beschäftigen, während Suchtrupps weitere Überlebende fanden und das Krankenhaus des Rathauses Ärzte durch die Stadt schickte, um nach allen zu sehen.

    Ich tat alles, um nicht an das Tempeldunkel zu denken, wie sie diese Nacht nannten, und an all die Menschen, die ich nicht gerettet hatte. Ich versuchte, auch nicht an Menehem zu denken. Sylphenfeuer hatte ihn getötet – die Ärzte sagten, es sei sehr schmerzhaft gewesen –, aber er würde wiedergeboren werden, da er durchgehalten hatte, bis der Tempel sich wieder selbst erleuchtet hatte. Hundert andere hatten es ebenfalls geschafft, mit dem Sterben zu warten.
    Aber zweiundsiebzig würden für immer tot sein. Wahrscheinlich mehr. Es gab eine Menge Menschen, deren Verbleib ungewiss war.
    Sam und Stef schliefen und aßen, wenn man es ihnen sagte, und machten verschiedene Übungen, um wieder zu Kräften zu kommen. Nach einer Woche bedankte sich Stef bei mir und sagte, sie werde nach Hause gehen. Sie versprach, nach uns zu schauen, ihr Gesichtsausdruck hinter der Maske verblassender Prellungen war voller Sorge. Ich nickte nur.
    Als sie fort war, setzte ich mich auf die Treppe und schlang die Arme um die Knie. Teile von mir fühlten sich hohl an. Was ich auch unternommen hatte, um Sams Haus wieder in Ordnung zu bringen, nichts konnte diese Leere füllen.
    Ich hatte Meuric getötet. Er würde vielleicht zurückkommen. Es war gut möglich, dass er tot gewesen war, bevor der Tempel dunkel wurde, aber was, wenn er sich stundenlang vor Schmerzen gekrümmt hatte, ehe er endlich gestorben war? Was, wenn ich ihn für immer ausgelöscht hatte, so wie Menehem Li?
    Sam setzte sich neben mich. »Du musst hier leben, weil die Sachen sich bewegen, wenn ich nicht hinsehe.«
    »Das ist Leben?« Alles in mir zerfloss in Taubheit, als wäre ich vom Dach des Tempels gesprungen und würde immer noch
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