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Das Maya-Ritual

Das Maya-Ritual

Titel: Das Maya-Ritual
Autoren: Patrick Dunne
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Madison, nehme ich an?«
    Er stützte sich auf den Stock, nahm seinen Hut ab und verbeugte sich vor mir, während ich sein nach hinten gestrichenes silbernes Haar, den sorgsam geschnittenen Ziegenbart und den wallenden Schnauzer musterte. Er war zweifellos spanischer Abstammung und wäre auf einem Ölgemälde im glänzenden Brustpanzer eines conquistador keineswegs aufgefallen.

3
    »Ja«, antwortete ich.
    »Das sind wir«, fügte Ken überflüssigerweise hinzu.
    »Sehr erfreut«, sagte der große Mann und verbeugte sich noch einmal: »Rafael Santiago de Valdivia. Sie haben mir eine Nachricht in Ihrem Hotel hinterlassen.«
    »Ja, Captain Sanchez meinte, Sie würden vorbeischauen«, sagte ich. »Bitte setzen Sie sich doch zu uns.«
    Er zögerte einen Augenblick. Sicherlich verwirrte es ihn ein wenig, dass diese beiden norteamericanos in einer Kolonialstadt, die für ihre vorzüglichen Restaurants bekannt war, in einer primitiven Taco-Bude aßen.
    »Gerne«, erwiderte er und rückte einen Stuhl an unseren Tisch. Die Mayakellnerin kam herbeigehuscht.
    »Möchten Sie etwas trinken oder essen?«, fragte Ken.
    Dr. de Valdivia nickte und sagte etwas zu der Frau. Aber nicht auf Spanisch, wie mir auffiel: Vielleicht täuschte ich mich in ihm. Sie machte einen Knicks und eilte lächelnd davon. Dann wandte de Valdivia seine Aufmerksamkeit wieder uns zu. »Gestatten Sie, dass ich mich richtig vorstelle. Ich bin der oberste Gerichtsmediziner für den Staat Yukatan, inzwischen allerdings im Ruhestand.«
    »Ich bin Ken, und das ist Jessica.«
    »Darf ich Sie fragen, woher Sie kommen, Jessica?«
    »Ursprünglich aus Florida, aber jetzt bin ich -«
    »Jessicas Vater ist wie Sie pensionierter Mediziner«, warf Ken ein. Er benahm sich absichtlich boshaft. »Lebt in Tampa.«
    Die Beziehung zwischen meinem Vater und mir war , gelinde gesagt, angespannt.
    »Ich verstehe«, sagte Dr. de Valdivia und versuchte, aus der Situation schlau zu werden, indem er sich höflich erkundigte, auf welchem medizinischen Gebiet mein Vater tätig gewesen war.
    »Er arbeitete als Allgemeinarzt«, erwiderte ich knapp und fuhr rasch fort: »Aber ich lebe jetzt auf Cozumel.«
    Florida und die Halbinsel Yukatan sind wie die beiden Scheren einer Krabbe, die im Begriff ist, Kuba in den Schwanz zu zwicken, und zwischen sich umschließen sie den Golf von Mexiko. Die Insel Cozumel liegt auf der anderen, der karibischen Seite der Yukatan-Schere, zwölf Meilen vor der Küste und genau südlich des Ferienortes Cancun.
    »Ah-Cuzamil-Peten«, bezeichnete Dr. de Valdivia die Insel mit ihrem vollständigen Mayanamen, »das ›Land der Schwalben‹.«
    Ich wartete darauf, dass er anfügen würde, Cozumel sei der Mayagöttin der Fruchtbarkeit geweiht, und einst habe jede Mayafrau eine Pilgerreise dorthin unternehmen müssen, und ob ich ebenfalls aus diesem Grund dort sei. Es handelte sich um eines der Lieblingsklischees nur allzu vieler mexikanischer Männer, denen ich begegnet war. Aber er sagte kein Wort davon.
    »Und Sie, Senor Arnold, leben in… Cancun?« Er schien den Namen des Ferienparadieses an der Spitze der Halbinsel mit Missfallen auszusprechen, aber ich war mir nicht ganz sicher. Man durfte jedoch davon ausgehen, dass ein alteingesessener Bürger von Mérida Vorbehalte gegen einen Ort hatte, der erst Mitte der Siebziger entstanden war.
    »Ja. Mir gehört dort ein Tauchclub. Und ich habe noch einen kleineren auf Cozumel, den Jessica betreibt.«
    »Aha. Dann werden Sie also beide tauchen?«
    »So halten wir’s für gewöhnlich«, sagte Ken.
    »Wir arbeiten oft im Team«, ergänzte ich und fragte dann: »Warum haben Sie gerade die Bundespolizei erwähnt? Wird der Fall denn nicht von der PJE untersucht?«
    »Ah, ich verstehe. Captain Sanchez hat Ihnen offensichtlich nichts erklärt.«
    »Was erklärt?«, fragte ich.
    »Sie wissen wahrscheinlich, dass die mexikanische Polizei gerade umstrukturiert wird. Um die Zuständigkeiten der verschiedenen Dienste zu klären… und auch, um gewisse, nennen wir es zur Institution gewordene Gewohnheiten, zu korrigieren…«
    Ich nickte. Es war allgemein bekannt, dass vom schlecht bezahlten Verkehrspolizisten, der anstelle eines Bußgelds seine mordida erwartete, bis hinauf zum Comandante, der unerklärlicherweise in einem Luxuspalast wohnte, seit Generationen Korruption in Mexikos Polizeiapparat grassierte. Die Ermittlungsbehörde des Bundes war der neueste Versuch der Regierung, den notorisch korrupten Bereich der
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