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Das Maya-Ritual

Das Maya-Ritual

Titel: Das Maya-Ritual
Autoren: Patrick Dunne
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unterstellst außerdem, dass zwischen Goldberg und seinen Mördern vorher keine Beziehung bestand.« Dann fing ich Dr. de Valdivias Blick auf. »Aber das ist ungewöhnlich bei einem Mordfall, nicht wahr, Doktor?«
    »Richtig, Senorita. Und darum möchte ich auch kein vorschnelles Urteil abgeben. Allerdings kann ich die Möglichkeit, dass es sich um eine rituelle Hinrichtung handelte, auch nicht ausschließen, und deshalb müssen wir uns über bestimmte Dinge unterhalten.« Er nippte an seinem Glas. »Selbst wenn es Ihnen gelingt, den Kopf zu finden, erwarte ich nicht, dass er uns in gerichtsmedizinischer Hinsicht eine große Hilfe ist. Es sei denn, nach der Enthauptung wurde eine weitere Gräueltat begangen.«
    »Was für eine Gräueltat?«, fragte Ken.
    »Der menschliche Kopf übte auf die mittelamerikanischen Kulturen eine große Faszination aus«, entgegnete Dr. de Valdivia. »Und seine Rolle bei rituellen Opferungen ist in der Kunst, die wir in Mayastätten sehen, gut dargestellt. Nach der Enthauptung konnte der Kopf etwa in einen ausgehöhlten Gummiball gestopft werden, um im Ballspiel Verwendung zu finden, oder man hat ihm die Haut abgezogen und ihn dann zur Schau gestellt. Manchmal wurde Gefangenen sogar vor der Hinrichtung der Unterkiefer entfernt.«
    »Eine sehr düstere Form der Faszination«, sagte ich.
    »Zugegeben. Aber sie war mit der spanischen Eroberung nicht zu Ende, Senorita. Sie beeinflusst unsere Kunst und unsere Rituale hier in Mexiko bis auf den heutigen Tag - El Dia de los Muertos zum Beispiel.«
    »Der Tag der Toten«, sagte ich Ken zuliebe.
    Ich dachte an die Bäckereien, die pan de muerto, eingelegte Knochen aus Teig, in der Auslage hatten, an das Klappern der hölzernen Skelettpuppen, die an Straßenecken tanzten, und an Kinder, die Totenköpfe aus Zucker und gefärbtem Marzipan mampften.
    »Es könnte also sein, dass sie den Kopf verstümmelt haben«, sagte Ken, »und darauf wollten Sie uns vorbereiten.«
    »Darauf und auf die Bedeutung des Ortes, in den Sie eintauchen werden.«
    »Ah ja.« Ken nahm offenbar an, er würde nun gleich einige abergläubische Mayageschichten zu hören bekommen, und die Aussicht darauf sagte ihm nicht sehr zu.
    Ich dagegen war interessiert. Dr. de Valdivia vermittelte einem den Eindruck, als sei der Zenote noch immer heilig.
    »Für die Maya«, fuhr er fort, »waren alle Höhlen, alle Zenoten, alle Öffnungen in der Erde Eingänge zur Unterwelt Xibalba, in der schreckliche Wesen lebten. Tatsächlich bedeutet das Wort ›Ort des Schreckens‹. Aber die Eingänge zu Xibalba waren auch zeremonielle Stätten, und der Zenote von Chichen Itza blieb noch lange, nachdem die Stadt aufgegeben worden war, das Ziel von Pilgerreisen. Und seit der Eroberung durch die Spanier bewahrt er das Versprechen, dass die Maya einst wieder auf ihrem Gebiet an die Macht zurückkehren.«
    »Tatsächlich?«, fragte Ken mit geheucheltem Interesse. Dr. de Valdivia wandte sich an mich. »Denn die Maya behaupten, als die Spanier hierher kamen, wurde die Nabelschnur der Welt durchtrennt - die Verbindung von der Menschheit zu den Göttern. Doch sie liegt unter dem großen Ballspielplatz in Chichen und wird durch den Heiligen Brunnen wieder auftauchen, wenn erneut ein Mayakönig herrscht.«
    »Und wann wird das sein?«, fragte Ken.
    »In gar nicht so ferner Zukunft. Am 21. Dezember 2012, um genau zu sein.«
    Ken wirkte eingeschnappt. Mit einer so deutlichen Antwort hatte er nicht gerechnet.
    So faszinierend dieses Thema auch war, wollte ich doch mehr über die Ansichten des Doktors zu Goldbergs Tod erfahren.
    »Worin bestand also Ihrer Meinung nach der tiefere Sinn, jemanden auf der Pyramide zu enthaupten?«
    »Da wäre einmal die Tagundnachtgleiche. Der gefiederte Schlangengott Kukulkan kommt aus dem Tempel, der die Pyramide krönt, und betritt den Boden, um sich dem Heiligen Brunnen zu nähern. Kukulkan ist das Pendant der Maya zu Quetzalcoatl, dessen von der Legende vorhergesagte Wiederkehr sich Cortez bei der Eroberung des Aztekenreichs so raffiniert zu Nutze machte. Ich kann nur vermuten, dass eine rituelle Handlung auf der Pyramide, die ihm geweiht ist, etwas über seine Wiederkehr aussagt, bei der er diesmal seine Anhänger verteidigen wird.«
    »In diesem Fall würde Goldberg den Feind repräsentieren«, schlug ich vor.
    »Hm…« Dr. de Valdivia schien nur ungern zuzustimmen. Als hätte er nicht gewollt, dass ich zu dieser Schlussfolgerung gelangte.
    Mein Handy läutete. Mit einer
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