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Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)
Autoren: Sergej Kusnezow
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entsprach ganz und gar seinem Charakter: Auf seinem mächtigen Körper saß ein großer, kahl rasierter Kopf mit dunklen
Augen, die ihr Gegenüber mit stählernem Blick fixierten; neben den schmalen Lippen zog sich eine tiefe Narbe über die linke Wange.
    Rechts von ihm saßen zwei seiner Söhne, die ebenso rau wirkten wie ihr Vater – die beiden Jungen waren nur ein Jahr auseinander, sechzehn und siebzehn Jahre alt. Ihre Mutter war schon lange tot. Es hieß, sie sei verunglückt und Jedi habe sie nicht retten können, doch wusste niemand etwas aus erster Hand.
    Links von Jedi saß sein einziger Freund und Assistent, der auf den wenig einfallsreichen russischen Namen Wassili hörte. Äußerlich wirkte er wie ein schlichter, gutmütiger Tollpatsch und fröhlicher Kerl. Aber der Eindruck täuschte: Wer sich Wassili in den Weg stellte, kam nur selten mit Leib und Leben davon. »Diese Welt ist grausam und schrecklich. Und es werden nur die überleben, die selbst grausam und schrecklich sind.« So lautete einer von Jedis Wahlsprüchen.
    Die weniger wichtigen Mitglieder der Karawane hatten es sich entlang der Wand direkt auf dem Boden bequem gemacht. Der schwere Geruch ungewaschener Körper hing in der Luft. Sergej ließ den Blick über die nächtlichen Besucher gleiten und blieb an einer mageren, gebrechlichen Gestalt hängen. Schwarze, schmutzige, völlig verfilzte Haare verdeckten das Gesicht. Die Gestalt hockte, die Beine angezogen, abseits von den Übrigen auf dem Boden und blickte gelegentlich kurz um sich.
    Die beiden Handelsparteien begutachteten und maßen sich gegenseitig, während sie schweigend den Wert der Waren schätzten. Beim Feilschen wie auch bei jeder anderen
Tätigkeit war eine bestimmte Taktik vonnöten, existierten Feinheiten und Tricks. Nicht ein einziger Gegenstand war mit einem festen Preis versehen, vielmehr wurde dieser erst im Verlauf der Verhandlungen ermittelt. Die Kolonie bot synthetische Lebensmittel und Gemüse an, das sie in Treibhäusern auf dekontaminierter Erde anbaute. Die Erde wurde dazu von der Oberfläche heruntertransportiert und im Labor einer chemischen Reinigung unterzogen. Außerdem waren Erzeugnisse aus der Näherei ausgelegt – das Material dafür wurde zusehends knapper, weshalb die Preise ständig stiegen. Schließlich gab es noch Blankwaffen aus der Schlosserei. An Metall herrschte vorläufig kein Mangel, allerdings verstand nicht jeder, ein Stück Stahl zu einer Machete zu schleifen.
    Die Reisenden hatten einige Schutzanzüge ausgelegt – zwar nicht mehr die neuesten, aber sie machten noch einen soliden Eindruck. Ferner boten sie Viertelliterflaschen mit Petroleum, Feuerwaffen und die dazugehörigen Patronen sowie einige Ballen Baumwollstoff feil – was den Kolonisten sehr zupasskam, denn die Nähereierzeugnisse verkauften sich gut. Außerdem türmte sich auf dem Tisch vor Jedi ein kleiner Berg seltsamer Figürchen von furchterregendem Aussehen, die aus irgendwelchen Tierknochen gefertigt waren. Ausgerechnet sie zogen in erster Linie die Aufmerksamkeit von Walentin Walentinowitsch auf sich, eines ehemaligen Generals der Staatssicherheit, der besonders eifrig darauf aus war, den Ratsvorsitz zu übernehmen – sobald dieser Posten frei würde.
    »Was ist das?«, fragte er Jedi und zeigte auf die Figuren.
    »Amulette«, entgegnete dieser nach kurzem Schweigen.
    »Woraus?«
    »Aus dem Fangzahn eines …« Den Rest verstand Sergej nicht genau – irgendetwas mit Angel.
    »Wirken sie?«
    Diesmal erhielt Walentin Walentinowitsch keine Antwort, aber der energische General ließ nicht locker: »Verkauft ihr sie?« Wieder erntete er Schweigen. »Wenn ihr sie nicht verkauft, warum stehen sie dann da?«
    Jedi wandte sich mit gelangweiltem Blick ab. Wassili schien gerade einzunicken – oder er tat zumindest so –, während sich Jedis jüngerer Sohn neugierig umsah. Es war sein zweiter Besuch in der Kolonie und das erste Mal, dass er sich im Großen Saal befand. Der ältere Sohn beugte sich plötzlich vor und deutet mit dem Finger auf einige bräunliche Würfelchen, die ordentlich auf einem Stoffstück angeordnet waren.
    »Sind die zum Essen?«, fragte er.
    Seine Frage war rein rhetorisch, da die Gastgeber in diesem Bereich des Tisches ihre synthetischen Lebensmittel ausgebreitet hatten, die allesamt widerlich schmeckten und schädlich für den Körper waren. Obwohl, wer wollte sich anmaßen, in dieser Welt über die Schädlichkeit von Nahrungsmitteln zu urteilen? Was hier
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