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Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)
Autoren: Sergej Kusnezow
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irrte.
    Der Mann stürzte immer wieder vor Erschöpfung, lag reglos da, versuchte sich aufzuraffen, aber jedes Mal, wenn er sich mühsam erhob, verlor er dabei mehr Kraft, als er in der kurzen Pause hatte schöpfen können.
    Dämmerung senkte sich über die Stadt. Der Mann sah sich beunruhigt um.
    Seine rechte Hand im zerrissenen Handschuh glitt unter den Schutzanzug zum Griff seines Messers, das am Gürtel seiner Jacke in einer kurzen Scheide hing. Er hörte – oder träumte er? – Geräusche, die ihm das Blut in den Adern stocken ließen: Heulen, Jaulen, Knurren, und manchmal ein Schmatzen und ein kurzes wütendes Gebrüll, als ob unbekannte Raubtiere um eine Beute kämpften.
    Der Mann blickte sich erschrocken um, konnte aber nichts Lebendes sehen.
    Wind kam auf, es begann wieder zu schneien.
    Mit jedem Schritt schwanden seine Kräfte, aber der Mann wusste, er durfte nicht mehr stehen bleiben, um Kraft zu schöpfen, nicht mal mehr für wenige Augenblicke – er musste sich beeilen. Hatte der Rücken vor einer Stunde nur unangenehm geschmerzt, brannten die Wunden inzwischen wie rasend. Mitunter kam es ihm vor, als ob Insekten darin hin und her krabbelten. Der Mann knurrte und zog die Schultern hoch. Außerdem war die Temperatur mit Einbruch der Dunkelheit merklich gesunken, und die Kälte kroch durch den aufgeschlitzten Schutzanzug in seinen Körper.
    Die umliegenden Gebäude verschwammen vor seinen Augen, dann sah er sie doppelt – sein Sehvermögen schwand. Der Mann setzte mühsam einen Fuß vor den anderen, seine Beine bewegten sich hölzern, sie gehorchten ihm kaum noch.
    Plötzlich vernahm er deutlich, dass jemand sprach. Mechanisch drehte er sich nach der Stimme um, nur um festzustellen, dass es dort keine Menschenseele gab und auch nicht geben konnte.
    Aber die Dämmerung um ihn herum zischte, brüllte, jaulte, und die Geräusche kamen immer näher …
    Er hatte die Stadt fast hinter sich gelassen.
    Es war dunkel geworden.
    Seine Hand hielt den Griff des Armeemessers umklammert.
    Der Mann stolperte auf dem angeschwollenen Asphalt, strauchelte, stürzte auf den Rücken. Die Geräusche ringsum verstummten für einen Moment, und in dieser Stille vernahm
er ein widerwärtiges Knirschen in seinem linken Arm. Der Schmerz machte sich erst nachträglich bemerkbar – dumpf und matt.
    Seine Energie war verbraucht. Mehrmals versuchte er sich wie ein Käfer vom Rücken auf den Bauch zu drehen und auf die Beine zu kommen, wofür er seine letzten kläglichen Kraftreserven verbrauchte. Es gelang ihm nicht einmal, sein Messer aus der Scheide zu ziehen, und das ärgerte ihn: Wenigstens eine der Kreaturen hätte er gern mit sich in den Tod gerissen …
    Während um ihn alles in einem Nebel zu versinken begann, bemerkte er gerade noch, wie aus einem nahe gelegenen Gebüsch vorsichtig ein großes graues Tier hervorkam, wie es mit seiner halb ratten-, halb wolfsähnlichen Schnauze Witterung aufnahm, die Zähne fletschte und knurrend auf ihn zustrebte.
    Dann verlor er das Bewusstsein.

ERSTER TEIL
VERTREIBUNG AUS DER HÖLLE
    Nie ist etwas so schlecht, dass es nicht noch schlimmer kommen könnte.
    MICHAIL WELLER Ref. 1

1
    Dieses Mal verstieß die Karawane gegen die wichtigste Regel: niemals nachts einzutreffen. Als auf dieser Seite des hermetischen Tors an der zentralen Schleuse das vereinbarte Klopfen ertönte, das die Ankunft einer Karawane ankündigte, war der diensthabende Wachposten so überrascht, dass er das Geräusch nicht gleich einzuordnen wusste. Hier an der Schleuse gab es nirgendwo eine Uhr, aber der Mann verfügte über ein ausgeprägtes Zeitgefühl, dem zufolge es höchstens drei Uhr nachts sein konnte, weshalb es genaugenommen keinerlei Besucher geben durfte.
    Das Klopfen wiederholte sich.
    Der Wachhabende stieß seinen Partner in die Seite, der es sich auf einigen Kisten bequem gemacht hatte und mit ausgestreckten Beinen, eine Hand auf dem Gewehr, leicht pfeifend vor sich hin döste. Verschlafen öffnete er die Augen.
    »Wir haben Gäste«, sagte der Erste.
    »W-was für Gäste? Um diese Zeit?«, entgegnete sein Kollege verwundert, und im gleichen Moment vernahmen beide ein neues Klopfsignal, das ihnen bedeutete, dass sich ein Verletzter bei der Karawane befand.
    »Lauf zum Kommandeur«, sagte der Erste. »Soll der den Befehl geben, dass wir sie reinlassen … Das ist eine außerordentliche Situation, da übernehmen wir doch nicht die Verantwortung … Mitten in der Nacht, und dann noch mit einem Verletzten.
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