Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange

Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange

Titel: Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange
Autoren: Kathleen Bryan
Vom Netzwerk:
Ohren und Geist gegen seine Worte verschlossen. Bei ihrer Abreise war keiner der höfischen Berater, die er vorgeschlagen hatte, an ihrer Seite, und Bernardin selbst musste zwangsläufig zurückbleiben. Wie sehr Averil ihn auch in Lutece brauchen mochte, Quitaine benötigte ihn mehr.
    Es war zu spät, um umzukehren. Die Stadt umschloss sie bereits; König Clodovecs Palast lag direkt vor ihr. Die Menschen jubelten ihr zu, als sie vorbeiritt. Jugend und Schönheit wurden in den Zentren der Macht gern gesehen.
    Sie widerstand der Versuchung, beim Anblick des Palastes an eine sprungbereite Bestie zu denken. Er war riesengroß und unsagbar alt; sein Herz war für einen vor langer Zeit verstorbenen Landesherrn Romagnas erbaut worden. Generationen von Herrschern und Stammesfürsten und Königen hatten neue Mauern errichtet und die alten eingerissen, bis der Palast aussah, als wäre er aus dem Felsen gewachsen wie ein Wald.
    Clodovecs Schlangenmagie berührte kaum die Oberfläche dieses uralten Ortes. Dies beruhigte Averil ein wenig, gleichzeitig verwirrte es sie. Kein Wunder, dass der König so weit gekommen war; das meiste von dem, was er tat, verlor sich in der komplexen Magie dieses Ortes.
    Averil zwang sich zu innerer Ruhe und Konzentration. Das ganze letzte Jahr hatte sie sich auf das hier vorbereitet. Gewisse höfische Fertigkeiten mochten ihr zwar fehlen, ihre Kräfte waren dennoch zu einer raffinierten Waffe geschliffen. Selbst ihre Träume von Gereint konnten ihr helfen. Wenn sie einer Versuchung gegenüberstand, brauchte sie nur an ihn zu denken. Hoch erhobenen Hauptes ritt sie durch das Tor. Die Wachen verbeugten sich vor dem Banner Quitaines, dem silbernen Schwan auf seinem tiefblauen Feld. Drinnen erwartete sie ein hochmütiger und ausnehmend arroganter Majordomo mit einer Armee von Dienern unter seinem Kommando, bereit, Averil in ihr Netz zu ziehen.
    Bedachtsam nahm Averil die Räume in Augenschein, die sie während ihres Aufenthalts in Lutece bewohnen würde. Sie waren groß und reich ausgestattet - königlich fürwahr. Wenn es eine Königin gäbe, erklärte die oberste Dienerin, würde sie hier leben.
    »Wir haben alles für Eure Hoheit hergerichtet«, erklärte die Frau. »Wir hoffen, die Gemächer finden Euer Gefallen.«
    Sie waren viel zu aufwändig für Averils Geschmack, und die Möbelstücke waren schwer und überladen mit Verzierungen und Schnörkeln, aber sie verbeugte sich lächelnd und murmelte ein paar Dankesworte. Madame Meraude schien zufrieden. Sie überließ Averil der Fürsorge ihrer Zofe und der niedrigeren Dienerinnen, die der König für sie bereitgestellt hatte. Dass ein paar von ihnen Spioninnen des Königs waren, war für Averil sonnenklar. Die Übrigen standen im Dienst anderer höfischer Mächte. Jennet schien ähnliche Gedanken zu hegen: Mit knappen Worten und ausdrucksloser Miene befehligte sie die Zofen wie eine Kompanie von Soldaten und wies sie an, ihren von der Reise verschmutzten und unverbesserlich anspruchslosen Schützling in eine anständige Herzogin zu verwandeln.
    Es war wie das Anlegen einer Rüstung — obwohl kein Ritter jemals so viel Brust und so wenig Bein gezeigt hatte. Ihr Hemd war aus feinstem Leinen, das Unterkleid aus blassgoldener Seide. Das goldfarbene Gewand war bestickt mit den Schwänen Quitaines, die auf goldenen Rosen schwammen. Von der Hüfte bis zur Brust war sie eingezwängt wie in Stahl; Röcke und überlange Ärmel vereinten sich zu einer schimmernden Schleppe.
    Ihr Busen war fast bloß gelegt, ihr Hals umschlossen mit einem Halsband aus Gold und Perlen; ihr Gesicht war kunstvoll geschminkt und ihr Haar zu raffinierten Flechten frisiert und mit einem goldenen Diadem gekrönt. Die Dienerinnen steckten ihre Füße in goldene Pantoletten und umschlangen ihr Gewand mit einem goldenen Gürtel.
    Das Einzige, das nicht ganz ins Bild passte, waren die Silberkette und das leuchtende Emailleamulett, wovon Averil sich nicht trennen mochte. Aber Jennet hatte längst eine Abhilfe gegen die Torheit ihrer Herrin gefunden: Sie steckte das Amulett in Averils Mieder, wo es warm und vertraut zwischen ihren Brüsten ruhte.
    Jennet trat einen Schritt zurück und sagte sichtlich zufrieden: »Na, wer sagt's denn? Vergesst nicht, Euren Kopf hoch zu halten und denkt daran: Keine Frau hier ist von edlerer Abstammung als Ihr.« Averil hätte die Bedeutsamkeit dieser Feststellung in Frage stellen können, aber sie entsprach nun einmal der Wahrheit. Sie stand dem Rang nach
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher