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Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange

Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange

Titel: Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange
Autoren: Kathleen Bryan
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übereifriger Sorgfalt glatt. Averil gebot ihr mit einer Geste Einhalt. Ihre Kleidung war adrett genug. Sie hatte ein sauberes Unterkleid als Ersatz für das vorige, dessen Saum sie als Verband für Peredurs Kopfwunde geopfert hatte. Das Gewand, das sie darüber trug, war aus grünem Brokatstoff. Mit sorgfältig frisierten Flechten, die ihren Rücken hinabfielen, und dem weißen Leinenschleier war sie durchaus präsentabel für eine Zusammenkunft mit der Königin, hätte vielleicht sogar selbst eine sein können.
    Averil hatte erwartet, Gereint vor ihrer Tür vorzufinden, am oberen Ende einer Wendeltreppe. Aber dort war er nicht, und sie konnte ihn auch sonst nirgendwo entdecken.
    Beinahe mochte sie nicht nach unten gehen, bevor er nicht zurückkehrte, doch das wäre töricht gewesen. Sie atmete tief ein, strich ihr Gewand noch einmal glatt und begab sich auf den langen Abstieg.
    Die Halle, zu der die Treppe führte, war größer als sie erwartet hatte, mit rauchgeschwärzten geschnitzten Deckenbalken, von denen verblichene Banner und Trophäen herabhingen und von längst vergangenen siegreichen Schlachten kündeten. Klassisch gemusterte Gobelins wärmten die Wände; der Fußboden war sauber und unbedeckt, was ein wenig überraschend war. Als sie ihn betrat, verstand sie. Von den schiefergrauen Bodenplatten stieg Wärme auf. Die Priesterinnen hatten so etwas im Haus der Heilung auf der Insel; Averil hatte noch gut in Erinnerung, wie die Akolythinnen sich mitten im Winter darum gerissen hatten, Botengänge dorthin zu übernehmen. An diesem Ort war es eher ungewöhnlich, aber äußerst wohltuend. Ihre Begleiterin führte sie durch die Menge von müßigen Seeleuten, Rittern, königlichen Dienern und Waffenmännern. Die meisten lagen von all dem Wein und den Festlichkeiten ermattet am Bodenjene, die noch sitzen konnten, grüßten sie mit Verbeugungen und höflichen Worten. Averil erwiderte die Begrüßung mit einem leichten Kopfnicken.
    Nachdem sie die warme Halle durchquert hatte, war es ein Schock, in die beißende Kälte eines Hofes zu treten, wo zwei Knappen — einer davon war Riquier, aber der andere war nicht Gereint — sie mit einem pelzgefütterten Umhang erwarteten. Die Dame machte einen Knicks und ließ Averil in der Obhut der Knappen.
    Averil warf Riquier einen fragenden Blick zu, allerdings ignorierte er ihn geflissentlich. Seit sie ihn kannte, benahm er sich zum ersten Mal wie ein perfekter Wachmann und ließ nur eine vage Andeutung seines üblichen humorvollen Wesens durchschimmern.
    Sie begann sich zu fragen, zunächst noch ohne Panik, ob sie verurteilt werden sollte — weswegen? Königsmord? Ausüben wilder Magie? Sicherlich nicht, weil sie Prydain gerettet hatte.
    Es standen weder Pferde bereit, noch lag ein Boot unterhalb der Klippe. Der Pfad, den Riquier sie hinabführte, war sorgfältig vom Schnee befreit worden, was seltsam war: Er wand sich durch ein Nebentor von der Stadt fort und lag, soweit sie es erkennen konnte, vollkommen verlassen da.
    Es herrschte schneidende Kälte, nur der Wind hatte sich über Nacht gelegt. Schnee fiel sanft vom Himmel herab, puderte ihren Kopf und ihre Schultern und fand ab und zu den Weg unter ihre Kapuze, um ihre Wangen zu küssen. Nach und nach fand sie Vergnügen an der simplen körperlichen Betätigung, und es gelang ihr ohne Mühe, mit den Männern Schritt zu halten. Der Pfad führte in lang gezogenen Windungen die Steilküste hinab. Die See war ruhig und rollte mit einer sanften Dünung über den verschneiten Strand. Zuerst war Averil sich nicht sicher, was sie da hörte, aber als sie den Fuß der Klippen erreicht hatte, erkannte sie Harfen-und Flötenmusik und den Singsang menschlicher Stimmen.
    Die Musik kam aus der Erde unter ihren Füßen. Sie verlangsamte ihre Schritte, rutschte aus und stürzte beinahe, hatte sich jedoch wieder gefangen, bevor einer der Knappen ihr zur Hilfe eilen konnte.
    Zum ersten Mal sah sie einen Anflug von Riquiers gewohntem Lächeln. »Ja, wir gehen unter den Hügel«, sagte er. »Macht Euch das Angst?« »Nur wenn es Euch beunruhigt«, entgegnete sie.
    Sein Grinsen verflüchtigte sich. Er führte sie eine kurze Steintreppe hinab und um eine Ecke zu einer Felswand. Dort endete der Pfad.
    Averil hielt nach den Umrissen einer Tür Ausschau, aber da war nichts als der weiße Kreidefelsen und kahles, schneebedecktes Brombeergestrüpp. Riquier hielt direkt darauf zu. Averil öffnete den Mund, um ihn zu warnen, doch in dem Moment war er
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