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Das Maedchengrab

Das Maedchengrab

Titel: Das Maedchengrab
Autoren: Nadja Quint
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Zunge nicht mehr bewegen konnte. Sie schloss die Augen und hoffte, sie möge versinken in ein erlösendes Schwarz, doch Marjanns Worte drangen zischend an ihr Ohr.
    »Ich werde dich töten, so wie ich Lisbeth und Bärbel getötet habe. Und die Ulla, das lammfromme Ding. Doch bevor ich deinen schönen Hals zerschneide, sollst du wissen: Ihr jungen Frauen habt mein Glück zerstört mit eurer Gier und eurer Schönheit. Darum macht es mir Freude, euch sterben zu sehen.«
    Fine wimmerte, da drückte Marjann ihr den Knebel noch tiefer in den Mund.
    »Lisbeth trug ein Kind von meinem Hannes. Aber er bedrängte mich, ihr ein Kraut zu geben. Und als ihre Frucht abging, da wollte sie ihn nicht mehr. Er ist mit dem erstbesten Schiff nach Amerika aufgebrochen und dort zum Verbrecher geworden. Nur ich blieb einsam zurück. Darum musste Lisbeth sterben. Und dann eines Nachts sah ich Bärbel, wie sie vom Lohbauern kam. Sie hatte ihm den Kopf verdreht, obwohl er dreimal so alt war und mit einer anständigen Frau verheiratet. Aber er ließ sich ein auf das Flittchen, und ich wusste: Der Verdacht würde auf ihn fallen. Und dann hat er des nachts auch noch dich überfallen. Damit hat er mir gut in die Hände gespielt, denn nun wusste ich: Die Polizei würde ihn im Auge behalten. Und auch Ullas Tod würde man ihm in die Schuhe schieben. Ulla stand dir viel zu nah, sie hatte Einfluss auf dich. Dieser Gefahr wusste ich mich bei einer guten Gelegenheit zu entledigen.« Marjann verstummte.
    Fine hielt die Augen geschlossen, und plötzlich spürte sie: Marjann streichelte sie – wie sie es so oft getan hatte. Die alte Frau liebkoste Fines Wange, während sie weiter die Klinge an ihren Hals hielt. »Nun zu dir, meine Schöne«, sagte sie mit einer Stimme schneidend und klar. Dich habe ich geliebt, denn ich glaubte, du würdest eines Tages meinen Hannes heiraten, und ich hätte wieder eine eigene Tochter. Aber dann hast du dich verguckt in einen anderen, das war nicht zu übersehen. Bis zuletzt habe ich gehofft, du nähmst doch noch meinen Sohn. Dann aber musste ich erfahren, dass auch er dich nicht wollte. Er bleibt ja in Belgien und hat da seine Braut. Darum sollst nun auch du dein junges Leben lassen, und ich vergrabe dich in meinem Garten, so habe ich dich stets in Erinnerung. Und niemand erfährt es, denn wenn ein Mädchen aus diesem Dorf verschwindet, wen wundert das?«
    Fine spürte die Spitze des Messers an ihrem Hals. Jetzt! Jetzt würde er kommen, der grausame Schnitt. Fast schon sehnte sie ihn herbei, um endlich erlöst zu sein.
    Da hörte sie Glas splittern. Sie öffnete die Augen und sah, wie die Leiter ins Fenster gestoßen wurde. Jemand riss von außen die Flügel auf und sprang in die Kammer. Ein junger Mann, bärtig und mit schwarzem Haar, das ihm wirr ins Gesicht hing. Hannes.
    »Mutter!«, schrie er, und tatsächlich hielt Marjann inne, einen Moment nur, doch lang genug, dass er sie vom Bett wegzerren konnte. Er rang sie zu Boden, Sohn und Mutter verstrickten sich in wildem Kampf. Noch immer umgriff Marjann das Messer, und je stärker Hannes versuchte, es ihr aus der Hand zu schlagen, umso heftiger verkrampfte sich ihre Faust. Hannes zerrte an den Fingern seiner Mutter. Und endlich! Ihre Kraft versiegte, sie ließ das Messer fallen.
    Blitzschnell nahm er es und richtete sich auf, um Fine loszuschneiden. Doch Marjann riss an seinen Beinen. Die beiden kämpften weiter. Dabei stieß Marjann gegen den Nachttisch. Die Lampe fiel um und entzündete augenblicklich den Strohsack, auf dem Fine lag. Hannes tat einen gewaltigen Satz nach vorn und hieb das Seil durch. Fine sprang vom Bett auf. Schützend legte er seine Arme um sie und zog sie zur Tür. Marjann hockte keuchend neben dem Bett, aus dem die Flammen höherschlugen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht holte sie ein zweites Messer hervor und schlug sich die Klinge in den Hals. Ihr Blut schoss einer Fontäne gleich in den Qualm, der sich im Raum verbreitete. Fine schrie, sie machte eine Bewegung auf Marjann zu. Aber Hannes packte das Mädchen und stürzte auf die Straße.
    Nachbarn kamen gelaufen, zwei Männer wollten ins Haus, doch schon in der Tür schlug ihnen hell lodernd das Feuer entgegen. Nur noch die Ziege und die Hühner konnten sie aus den Ställen befreien.
    Sekunden später stand auch der Dachstuhl in Flammen. Funken flogen zum Schuppen hinüber und entzündeten das sonnentrockne Holz. Fine wurde schwarz vor Augen. Sie fühlte noch, wie Hannes sie auffing.

Die
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