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Das Maedchengrab

Das Maedchengrab

Titel: Das Maedchengrab
Autoren: Nadja Quint
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mit einer Bürste, damit sich weder Staub noch Moos ansetzten. So blieben die Lettern gut zu entziffern. Jedermann, der hier verweilte, konnte sich überzeugen, dass die Tochter nicht in Vergessenheit geriet. Denn ihr gewaltsamer Tod war seit fünf Jahren nicht geklärt. Die Polizeistellen in Blankenheim und sogar Bonn suchten nach dem Mörder. Noch war er nicht gefunden.

Die Kinder
    Mittags in milder Herbstsonne wanderten zwei Kinder durch die Gartenwege von der Schule zum Dorfrand hinaus. Das achtjährige Mädchen hielt Schiefertafel und Bücher unterm Arm. Der zwei Jahre jüngere Knabe trug seine Schulsachen in einem Beutel aus grauem Leinen. Er lief ohne Mütze, während seine Schwester ihren Kopf mit einer Haube aus weißem, gedrilltem Tuch bedeckte. So oft es der Weg erlaubte, gingen die Kinder Hand in Hand nebeneinander. Wo aber die Hecken zu dicht am Weg standen, ging das Mädchen voraus. Sie hieß Josefine und wurde Fine gerufen. Mütterlich kümmerte sie sich um ihren Bruder, dessen Taufname Sebastian die Menschen im Dorf zu Basti verkürzten.
    Auf dem welken Laub an den Sträuchern lag ein schwerer Duft, und die Früchte der Stauden, allen voran Maulbeeren und Hagebutten, sahen wie abgestorben aus. Wenn die Kinder sich den Hecken näherten, zwitscherten die Sperlinge und stoben in unruhigen Gebilden auf. Später setzten sie sich wieder, bis sie von Neuem aufschwirrten und ihren Platz in den Gärten hinter den Hecken suchten. Eine Elster flog rasch vom Weg auf und fand in einem alten Birnbaum Zuflucht, wo schon einige Krähen hockten. Die Kinder aber gingen ihres Wegs, bis sie am Weiher bei den Erlen die Fahrstraße erreichten.
    Heute war es kein leichter Gang, mit dem sie sich dem elterlichen Haus näherten. Eine schleichende Krankheit der Atmungsorgane hatte schon vor einigen Tagen den Vater niedergeworfen. An diesem Morgen, als die Kinder von zu Hause in die Schule gezogen waren, hatte nun auch die Mutter schlimm gehustet und sich kaum aus dem Bett erheben können.
    Fine spürte, dass Bastis Gedanken bei den Eltern hingen. Auch sie selbst war tief besorgt, doch versuchte sie, den kleinen Bruder von seiner Schwermut abzulenken. »Ich will dir ein Rätsel aufgeben«, sagte sie mit scheinbar leichter Stimme. »Welches Holz macht heiß, ohne dass man es verbrennt?«
    »Des Schullehrers Lineal, wenn man es auf die Tatzen kriegt«, erwiderte Basti.
    »Nein, das meine ich nicht.« Fine schüttelte den Kopf. »Ich meine das Holz, das man spaltet. Denn Holzhacken ist anstrengend. Dadurch heizt das Holz dem Hacker ordentlich ein. Es macht heiß, ohne dass man es verbrennt.«
    »Ach so, ja«, meinte Basti verständig. Doch er schien enttäuscht darüber, dass er die Aufgabe nicht hatte lösen können.
    »Dann gebe ich dir eben noch ein Rätsel«, sagte Fine aufmunternd. »So höre: Es sitzt auf einem Stöckchen, hat ein rotes Röckchen, und das Bäuchlein voll Stein, was mag das sein?«
    Basti tat, als denke er ernsthaft nach, dann rief er: »Halt. Du darfst mir nicht sagen, was es ist. Ich weiß es. Das ist eine Hagebutte.«
    Fine nickte anerkennend und machte ein Gesicht, als hätte sie ihm das Rätsel zum ersten Mal aufgegeben. Wobei sie es doch schon oft getan hatte und es immer wiederholte, um ihn zu erheitern.
    Sie passierten die Straße und gingen auf ein niedrig stehendes Haus am nordöstlichen Rand des Dorfes zu. Das Grundstück lag leicht abfallend zum Bach hin. Hier wohnten die Kinder mit ihren Eltern Franz Aldenhoven und seiner Frau Wilhelmine. Franz war Holzhauer im Walde, dabei aber auch geschickt in allerlei Handwerk. Das Haus hatte er in verwahrlostem Zustand gekauft, es selbst verputzt und das Dach neu eingedeckt. In diesem Herbst wollte er noch die Innenwände frisch weißen. Der Kalk dazu lag schon neben dem Garten in einer mit rötlichem Reisig überdeckten Grube. Wilhelmine galt als eine der besten Tagelöhnerinnen im Dorfe. Tag und Nacht in Leid und Freud, bei jeder Arbeit, die anfiel, half sie den Nachbarn. Denn sie hatte ihre Kinder, und besonders das Mädchen, schon früh daran gewöhnt, für sich selbst zu sorgen. Fleiß und Sparsamkeit hatten die Familie zu einer der glücklichsten im Dorf gemacht.
    Wie die Kinder nun voller Sorge vor dem Haus standen, drückte Fine die eiserne Klinke. Doch die Tür gab nicht nach. Erschrocken wandte sie sich ihrem Bruder zu und erblickte die Angst in seinem schmalen Gesicht.
    Sie klopfte an die Tür. »Vater! Mutter!«
    Dann hörten die Kinder, wie
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