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Das Maedchengrab

Das Maedchengrab

Titel: Das Maedchengrab
Autoren: Nadja Quint
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Bedürfnis, sich auf den Strohsack zu legen und ihr Gesicht darin zu vergraben. Doch sie riss sich zusammen. Eilig verkroch sie sich wieder im Schrank und zog die Rückwand zu.
    Dann hielt sie inne. Was war das? Es kam ihr vor, als dränge ein Geräusch aus der Küche herauf, ein leises Klappern nur. Fine erstarrte. Sie hatte die Haustür von innen abgeschlossen und den Schlüssel bei sich. Niemand konnte merken, dass sie im Haus war. Aber was, wenn jemand heraufkommen würde? Hier in den Schrank? Sie drängte sich an den hängenden Kleidern vorbei ganz auf die rechte Seite. Das harte Holz drückte gegen ihre Schultern. Sie lauschte. Nichts! Das Klappern hatte aufgehört. Vielleicht hatte sie sich auch nur geirrt. Einige Minuten wartete sie noch ab, dann stieg sie nach vorn aus dem Schrank, hängte alle Kleider wieder gerade und schloss die Tür. An der Treppe horchte sie erneut. Nur das Ticken der Küchenuhr drang an ihr Ohr. Fine eilte nach unten. Bevor sie aus der Haustür trat, richtete sie ihr Haar und atmete tief durch.
    Mit ruhigen Schritten ging sie einige hundert Fuß durchs Dorf zu Gerds Vater. Er war dabei, seinen alten Rappen vor den Wagen zu spannen, und begrüßte Fine freundlich. Sie gab höflich Antwort auf die Frage, wie es ihr gehe. Doch während der Fahrt nach Blankenheim sprachen die beiden kaum. Gerds Vater erkannte wohl, wie groß in Fine die Trauer um Ulla und die Sorge um Basti sein mochten. Ab und zu lächelte er ihr aufmunternd zu. Vor der Gendarmerie ließ er sie absteigen.
    Der Wachmann, den Fine schon vom letzten Mal kannte, nahm sie in Empfang und führte sie zu Bastis Zelle.
    »Ihr dürft allein sprechen«, meinte er, bevor er sich entfernte. »Aber nur eine Viertelstunde.«
    Fine konnte sehen, wie alle Last der Welt von Bastis Schultern zu fallen schien, als er seine Schwester sah. Wieder umarmten die beiden sich, so gut es durch die Gitterstäbe möglich war. Sie hielten ihre Köpfe nah beieinander, und Fine wollte gerade von der geheimen Kammer berichten, da kam Basti ihr zuvor.
    »Gestern hatte der Lohbauer Besuch von seiner Frau«, erzählte er aufgeregt. »Die beiden waren so laut, dass ich alles hören konnte. Ich weiß jetzt, warum auch er hier ist: Er hat kein Alibi für die Zeit von Ullas Mord.«
    »Kein Alibi«, wiederholte Fine tonlos. Die Sinne schwirrten, sie versuchte, ihre Gedanken zu sammeln.
    Da sprudelte es weiter aus Basti heraus: »Als Ulla ermordet wurde, war er mit seiner Frau unterwegs. Sie haben eine Vergnügungsfahrt gemacht wegen ihres Hochzeitstags. Mit einem Korb voll Kuchen und Wein und anderen Leckereien, die wollten sie auf einer Wiese im Wald essen. Aber niemand hat den Lohbauern gesehen und könnte das bezeugen.«
    »Aber doch seine Frau«, wunderte Fine sich.
    »Gerade weil sie seine Frau ist, gilt sie nicht als Zeugin«, Basti deutete auf das vergitterte Fenster. »Ich habe sie kurz gesehen. Sie ist fast so groß und breit wie ihr Mann und trägt einen riesigen Knoten von grauem Haar.«
    Fine nickte nur, auch sie hatte einige Male die Lohbäuerin zu Gesicht bekommen, doch das schien ihr in diesem Moment nicht wichtig. Sie zog Basti nah an sich heran und erzählte von dem, was sie in Marjanns Haus entdeckt hatte.
    Er konnte es kaum glauben. »Also versteckt Hannes sich dort!«, rief er so laut, dass Fine ihm den Mund zuhalten musste. Leise fuhr er fort: »Das ergibt doch alles Sinn: Seit drei Jahren tragen die Briefe die gefälschten Stempel. Solange ist er schon nicht mehr in Amerika, sondern führt hier ein geheimes Leben. Das musst du Gerd sagen. Sofort!«
    Doch Fine schüttelte den Kopf. »Das werde ich nicht tun, Basti. Jedenfalls noch nicht.«
    Verständnislos sah er seine Schwester an. »Aber warum nicht? Das ist doch die Lösung!«
    »Nein, ist es nicht«, erwiderte Fine so scharf, dass Basti erschrak. Entschuldigend strich sie ihm über die Wange. »Es beweist nur, dass Hannes sich hier versteckt hält. Aber es beweist nicht, dass er der Mörder ist.«
    »Fine!«, fast hätte Basti aufgeschrien. Er beherrschte seine Stimme. »Wie willst du das denn beweisen?!«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Dann geh zu Gerd!«
    »Nein!«, entgegnete sie wieder. »Denn als ich ihn nach Lisbeths Tod fragte, hat er das Wichtigste verschwiegen.«
    »Vielleicht durfte er es dir nicht sagen«, wandte Basti ein. »Was willst du stattdessen tun?«
    Fine brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Dann sagte sie: »Der letzte Brief. Der oberste auf dem Stapel. Als ich ihn
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