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Das Mädchen vom Amazonas: Meine Kindheit bei den Aparai-Wajana-Indianern

Das Mädchen vom Amazonas: Meine Kindheit bei den Aparai-Wajana-Indianern

Titel: Das Mädchen vom Amazonas: Meine Kindheit bei den Aparai-Wajana-Indianern
Autoren: Catherina Rust
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Talent als Jäger lobte, senkte er beschämt seinen Blick und sagte: »I ch jage doch nur ein klein bisschen gut.« Was mehr als untertrieben war: Schon als Jugendlicher hatte Chico, wenn er es darauf anlegte, eine Libelle mit einem Pfeil abschießen können.
    Ich erfuhr, dass Sylvias älterer Bruder Inaina inzwischen mit einer Wajana verheiratet war, der er nach Französisch-Guyana gefolgt war. Die Mädchen von Mashipurimo und Bona blieben allesamt bei ihren Eltern, nur die Männer zogen fort, um bei der Familie der Braut zu leben. Es gab nur wenige Gründe, weshalb eine junge Frau vom Ort ihrer Eltern fortzog: die Hochzeit mit einem Stammeshäuptling oder Zauberer/Schamanen oder ein unüberwindbarer Streit. Inaina schien es bei seiner neuen Familie gut zu gehen. Denn der einst so schöne Jüngling war inzwischen ein wenig fülliger geworden. »W ie ein wohl genährter Tapir«, sagte eine Frau und zeigte mir ihr Zahnlückengrinsen.
    Mikulu war mit der Familie seiner Frau ebenfalls in ein weiter entferntes Wajana-Dorf gezogen. Ob es in Brasilien lag, in Französisch-Guayana oder im ehemals niederländischen Surinam, konnte ich in den Gesprächen nicht herausfinden. Für die meisten Ureinwohner sind Landesgrenzen nicht relevant. Das Land ihrer Vorfahren kannte keine Demarkationslinien.
    Eines Morgens bemerkte ich, dass ich Araiba doch nicht so gleichgültig war, wie ich das nach meiner Ankunft befürchtet hatte. Ein Handtuch um die Schultern gelegt, machte ich mich auf den Weg zum Fluss, nicht ohne vorher an der Feuerstelle von Araiba vorbeizuschlendern. Als ich ihn beim Anzünden des Morgenfeuers entdeckte, zog er mit aufmunternden Worten ein Bänkchen an seine Seite und bedeutete mir, mich zu setzen. Dann machte er sich daran, mir ein Frühstück zuzubereiten, so fürsorglich und liebevoll, dass ich keine Zweifel mehr hatte, ob ich in seiner Nähe willkommen war. Fisch mit Maniokgrieß.
    »P feffer? Salz?«
    Ich nickte. Das Salz aus der Stadt war sein wohlgehüteter Schatz, und er teilte ihn mit mir, auch wenn er selbst kaum genug davon hatte. Salz war etwas sehr Wertvolles. In alter Zeit hatte man ein bestimmtes Holz verbrennen müssen, um ein wenig Salz aus der Asche zu gewinnen. Was für ein Luxus, wenn man inzwischen einen richtigen Salzstreuer besaß.
    In ganz Bona stieß ich auf solche Anzeichen der »Z ivilisation«, die manchmal auch mit den Bildern, die ich aus der Vergangenheit im Kopf hatte, kollidierten. Das Wrack eines vergammelten Jeeps war inzwischen die Attraktion des Dorfes, die Kinder benutzten es als Klettergerüst. Irgendein tropenfieberkrankes Genie hatte es tatsächlich fertiggebracht, einen amerikanischen Jeep in den Urwald mitzunehmen. Da es außer der kleinen Flugpiste keinen befahrbaren Untergrund gab und Benzin wie auch Ersatzteile rar waren, war der Jeep nicht über Bona hinausgekommen. Damit er nicht vollends verrostete, hatten die Männer ihn in eine Hütte geschoben. Dort gammelte er nun vor sich hin, wie so vieles aus der Zivilisation, das bald seinen Reiz verlor, weil es im Urwald nicht wirklich benötigt wurde. Ansonsten war mir alles vertraut. Der Tagesablauf, der Humor, die Freundlichkeit, die Selbstverständlichkeit im Umgang miteinander und vor allem die Kinderliebe. Ein Dorf voller ausgeglichener, glücklicher, stolzer Aparai-Kinder, die den ganzen Tag herumtobten und, wenn sie schon ein wenig größer waren, den Erwachsenen mit einer solchen Begeisterung bei den täglichen Aufgaben halfen, als handle es sich um ein spannendes Spiel. Es war faszinierend zu sehen, wie geduldig die Erwachsenen mit Kindern umgingen, mit welchem Respekt selbst die Kleinsten behandelt wurden. Bei uns heißt es, man müsse Vater und Mutter ehren, am Amazonas würde es heißen, man solle seine Kinder ehren. Schließlich gehört ihnen die Zukunft.
    Merry Christmas am Amazonas
     
    Eine gute Woche war ich nun schon in Aldeia Bona. Von morgens bis abends war ich nichts als verwöhnt worden und insofern richtig erleichtert, als mir Antonia endlich erlaubte, den anderen ein wenig zur Hand zu gehen. Bloß überanstrengen sollte ich mich nicht. Dabei ließ sich mein Bewegungsdrang kaum noch in Zaum halten. Am liebsten hätte ich Holz gehackt oder wäre einen Marathon gelaufen. Prompt bekam ich beim Maniokschälen Blasen an den Händen, worüber sich die Frauen herzlich amüsierten. »N ur schön weitermachen, Katarischi, bald sind deine Hände wieder so kräftig wie unsere.« Nachsichtig betrachteten sie
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