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Das Maedchen mit den Schmetterlingen

Titel: Das Maedchen mit den Schmetterlingen
Autoren: Carol Coffey
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hörte ein Schluchzen und dann ein Würgen. Er kannte die Stimme nicht, konnte nicht einmal sagen, ob Mann oder Frau, und es blieb ihm nichts anderes übrig als abzuwarten, bis dieser Mensch verschwunden war. Zu seinem Wagen brauchte er mindestens eine Viertelstunde, und die Zeit wurde immer knapper. Die Sache war nicht ganz so gelaufen, wie er sich das vorgestellt hatte.
    Als er sicher war, dass die Luft rein war, rappelte er sich auf und schlug einen großen Bogen zum See hinunter, um das Blut von seinen Händen zu waschen. Da sah er sie, wie sie sich über den leblosen Michael Byrne beugte, ein kleines Mädchen, Maura wie aus dem Gesicht geschnitten. Es war natürlich absolut töricht von ihm gewesen, sie anzusprechen, aber irgendetwas hatte ihn magisch angezogen, was ihm bis heute unbegreiflich war. Er musterte Byrne, der mit dem Gesicht nach unten im Wasser lag, während das Mädchen ihn mit unbewegter Miene anstarrte. Noch nie im Leben hatte er so eigenartige
Augen gesehen. Er versuchte noch, sein Gesicht zu verbergen, aber er wusste, dass es dafür schon zu spät war. Hatte sie etwa Byrne zusammengeschlagen? Dafür sah sie eigentlich zu zart und schmächtig aus. Aber schließlich konnte es ihm egal sein, er musste nur dafür sorgen, dass sie den Mund hielt. Irgendetwas stimmte nicht mit diesem Mädchen. Er sprach sie an, aber sie wich ängstlich zurück. Er fragte sie, wer ihre Mutter sei, aber sie wollte es ihm nicht sagen. Dann packte er sie am Arm, und sie fing an zu schreien. Als er ihr den Mund zuhielt, wurde ihr Geschrei noch schriller. Éamonn schärfte ihr ein, dass sie keinem Menschen sagen durfte, dass sie ihn gesehen hatte, und offenbar hatte sie bis jetzt auch den Mund gehalten.
    Damals hatte er für einen Moment daran gedacht, sie für immer zum Schweigen zu bringen, aber er war kein Mörder, nicht damals und nicht heute, und er wusste, dass er verloren hatte. Es hatte keinen Zweck, die Schritte zu erwähnen, die er gehört hatte, oder Byrnes Gebrüll, als man ihn verprügelt hatte. Man würde ihm die Sache anhängen, und er würde den Rest seines Lebens im Gefängnis sitzen, für eine Tat, die er nicht begangen hatte. In gewisser Weise eine ausgleichende Gerechtigkeit für all das Unrecht, das er dieser Familie und ganz besonders Maura angetan hatte.
     
    Liam Kelly saß in dem kalten, feuchten möblierten Zimmer, das er sich vor kurzem im Osten von London gemietet hatte, und beugte sich über eine irische Zeitung. Er las den Artikel zweimal, ganz besonders den Absatz über den bevorstehenden Prozess in einem Mordfall, der vor fast elf Jahren geschehen war, und fragte sich, ob er jetzt wieder nach Hause kommen konnte. Er war zwar erst vor wenigen Monaten hierhergezogen, aber ihm war klar, dass er mit dem Leben hier nicht zurechtkam, und außerdem vermisste er seinen Vater. Als der
Reporter angefangen hatte, ihn auszufragen, war er geflüchtet, aus Furcht, dass der Fall aus irgendeinem Grund noch einmal aufgerollt werden könnte.
    Er war wütend auf Byrne gewesen, weil er seinem Dad den Hof weggeschnappt hatte, und hatte seinem Onkel damals nur einen Denkzettel verpassen wollen. Liam wusste, dass er für seinen Vater eine einzige Enttäuschung war und wollte Jimmy Kelly beweisen, dass er ein Mann war. Als er an jenem Abend im Pub wieder einmal mit ansehen musste, wie sein Onkel das Geld verschleuderte, das eigentlich seinem Dad gehörte, und er einmal mehr seinen Vater klagen hörte, dass Byrne ihm die Lebensgrundlage geraubt hatte, eine Geschichte, die Liam die ganze Kindheit begleitet hatte, da packte ihn die Wut. Liam hatte ordentlich gebechert und war Byrne vom Pub aus gefolgt, ohne sich Gedanken darüber zu machen, was er mit ihm anstellen wollte, wenn er ihn eingeholt hatte. Auf der Landstrasse blieb er Byrne auf den Fersen. Byrne wurde nervös, geriet ins Stolpern und stürzte die Böschung hinunter. Liam wusste noch, dass er ganz leise gelacht hatte. Er fand Byrne blutend am Ufer liegen. Aus einer breiten Platzwunde auf seiner Stirn sickerte Blut. Hocherfreut darüber, Byrne so wehrlos vorzufinden, verpasste er dem benommenen Mann zwei Faustschläge, der jedoch zu seiner Überraschung zum Gegenangriff überging, sich an Liams Beine klammerte und versuchte sich aufzurappeln. Erschrocken über die Kraft seines Gegners, geriet Liam in Panik und wurde schlagartig nüchtern. Welcher Teufel hatte ihn bloß geritten? Er wollte nur noch mit heiler Haut davonkommen, griff nach einem Stein, schlug
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