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Das Maedchen mit den Schmetterlingen

Titel: Das Maedchen mit den Schmetterlingen
Autoren: Carol Coffey
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ihn Byrne zweimal ins Gesicht, damit der ihn losließ, und stürzte nur wenige Schritte neben Byrne, der in der Dunkelheit ins Leere griff, zu Boden. Liam würgte - ob es nun am Alkohol lag oder am Blut, das über Byrnes Gesicht lief, wusste er nicht.
Er sah Byrnes Geldbeutel auf dem Boden liegen und zog hastig fünfzig Pfund heraus, die Byrne erst heute auf dem Markt verdient haben musste, Geld, das seinem Vater eine Menge Arbeitsstunden auf den Baustellen in Dublin erspart hätte. Mit schnellen Schritten näherte er sich dem unteren Ende des Sees, als er meinte, in der Ferne Seán Byrne zu erkennen, und er hoffte, dass sein Cousin ihn nicht entdeckt hatte. Mit klopfendem Herzen und zugeschnürter Kehle rannte er die gesamten fünf Kilometer bis nach Hause.
    Liam war völlig verstört, als er erfuhr, dass Byrne tot war. Als er ihn verlassen hatte, war er noch am Leben gewesen, außerdem hatte er ihn gar nicht umbringen wollen. Er überlegte, ob er seinem Vater beichten sollte, dass er am Tatort gewesen war, dass er glaubte, Seán Byrne am See gesehen zu haben, aber er zog es vor, den Mund zu halten. Jetzt, wo er wieder nüchtern war, konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum sein grundehrlicher, gottesfürchtiger Vater von seiner Tat beeindruckt sein sollte. Am nächsten Tag ging er in Knockbeg zur Messe, bat um Vergebung und warf den Fünfzig-Pfund-Schein unauffällig in die Spendenbüchse für die Armen.
    Liam las, dass seine Cousine Tess McCracken am See gesehen hatte, und vermutete, dass es damals nicht Seán, sondern McCracken gewesen war. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er nicht verhindert hatte, dass Tess so viele Jahre leiden musste, aber jetzt war es für ein Geständnis zweifellos zu spät. Liams Vater durfte unter keinen Umständen erfahren, was er in jener Nacht verbrochen hatte, auch wenn er sich im Lauf der Jahre immer wieder die Frage gestellt hatte, ob Jimmy Kelly nicht doch etwas ahnte. Warum sonst hatte er jedes Mal, wenn im Pub das Gespräch auf den Mord an Byrne kam, darauf bestanden, dass sie gemeinsam nach Hause gingen?

    Er faltete die Zeitung zusammen und betrachtete durch das trübe Fenster seines Zimmers eine Schmeißfliege, die sich aus einem großen Spinnennetz in der Fensterecke zu befreien versuchte. Er würde die Sache einfach aussitzen und sich so lange unauffällig verhalten, bis er ganz sicher war, dass er ohne Risiko nach Hause kommen konnte, wenn überhaupt.

Kapitel 49
    Januar 1982
    T ess Byrne war zeitig aufgewacht und beschloss, zum See hinunterzulaufen, an die Stelle, wo ihr Vater ermordet worden war, zum ersten Mal seit ihrer Rückkehr nach Árd Glen. Kate schlief immer noch tief und fest, und Tess war froh, dass sie dazu beigetragen hatte, ihre Schwester wieder glücklich zu machen. Noch am selben Abend, als Dermot wiedergekommen war, hatte sie Kates Namen von der Liste gestrichen.
    Als Tess das Haus verließ, fiel ihr ein weißes Blatt Papier am Traktor auf, die Nachricht, die sie Dermot am Morgen des Unfalls hinterlassen hatte. Sie nahm den Zettel ab und betrachtete die Zeichnung von Dermot, Kate und ihr selbst, ein Familienbild ohne Seán oder Ben. Hatte sie geahnt, dass es genau so kommen würde? Sie hatte den Tod ihrer Brüder nicht gewollt. Sie hatte nur gewollt, dass Seán an diesem Morgen die Schlüssel nahm, damit Kate ihn aus dem Haus warf und sie keine Angst mehr vor ihm zu haben brauchte. Tess blieb einen Augenblick mit gesenktem Kopf stehen, dann machte sie sich auf den Weg zum See, dorthin, wo alles seinen Anfang genommen hatte.
    Am Ufer starrte sie auf das ruhige blaue Wasser hinaus, und die Erinnerungen an jenen schicksalhaften Morgen kehrten zurück, klarer als je zuvor, und versetzten sie zurück an den Tag, als ihr Leben sich für immer verändert hatte. Sie sah
sich dort stehen, ein kleines Mädchen in ihren guten Schuhen und dem guten Kleid, fertig angezogen, um mit Kate zum Einkaufen nach Knockbeg zu fahren. Sie erinnerte sich, wie sie sich gefürchtet hatte, als sie Michael Byrne schlafend am Ufer fand, weil er nach Whiskey stank. Sie traute sich nicht ihn aufzuwecken, setzte sich ans Ufer und hielt Ausschau nach Schmetterlingen, bis ihr langweilig wurde. Da entdeckte sie den hübschen Stein, der neben ihrem Vater lag und im Licht der aufgegehenden Sonne funkelte, und hob ihn auf. Angewidert bemerkte sie das Blut auf dem Stein und spülte ihn hastig im See ab. Als die schrägen Strahlen der Morgensonne dann schließlich durch die
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