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Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht
Autoren: Random House
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Hugenotten überzeugte, um deren Anführer eliminieren zu lassen.
    Andere Annahmen gehen davon aus, dass die Guise zwar allein hinter dem Anschlag auf den Admiral standen, aber nachdem Coligny überlebte, die Medici – oder auch der König – hier ebenfalls einen Racheakt der Protestanten befürchteten und beschlossen, diese beseitigen zu lassen. 3
    Diesen Überlegungen widerspricht jedoch, dass durch die Hochzeit zwischen Marguerite de Valois und Henri de Navarre ja gerade eine Versöhnung zwischen Katholiken und Hugenotten angestrebt wurde und die Medici in all den Jahren immer in besonderer Weise an einem Gleichgewicht zwischen Hugenotten und Katholiken interessiert war, da sie nur so die Macht des Königs sichern konnte. Unabhängig davon scheint es zudem fraglich, ob die Medici Colignys Einfluss auf den König wirklich so gefürchtet hat. Zwar war der Admiral mit dem Frieden wieder rehabilitiert worden, doch es ist belegt, dass er sich in den Jahren 1571 und 1572 nur wenige Wochen überhaupt am Hof aufhielt. Seine Bemühungen, den König zu einem Feldzug in die spanischen Niederlande zu überreden, waren zudem längst geschei tert. Anfang August 1572 hatten Charles IX. und der Kronrat die ses Unterfangen offiziell abgelehnt. 4 Die Angst der Medici, der König könnte sich durch den Einfluss des Admirals auf einen Krieg mit Spanien einlassen, scheint in diesem Zusammenhang daher also kein glaubwürdiges Motiv.
    Der Roman folgt u. a. auch aus diesen Gründen einer anderen Theorie, wie sie auch der französische Historiker Bourgeon vertritt und nach der nicht die Medici, sondern Spanien – in Verbindung mit den Guise – der mutmaßliche Drahtzieher des At tentats auf Coligny und der darauffolgenden Ereignisse gewe sen ist. 5
    Bereits die Internationalisierung des letzten Religionskriegs hatte gezeigt, dass es bei dem Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken schon lange um mehr als allein um einen nationalen Machtkampf ging. Vor allem Spanien, das in den Niederlanden erbittert gegen die dortigen Aufständischen kämpfte, fürchtete, wie es Bourgeon aufzeigt, eine Stärkung der hugenottischen Partei. Der spanische Monarch, Philipp II., fühlte sich durch die Hochzeit zwischen Marguerite de Valois und Henri de Navarre und die Rehabilitation von Coligny am Hof – der beabsichtigte, die Aufständischen in den Niederlanden auch in privater Initiative militärisch zu unterstützen – bedroht. Spanien hatte die Guise in Frankreich darüber hinaus nachweislich bereits seit Jahren in ihrem Kampf gegen die Hugenotten unterstützt – finanziell wie wohl auch bei der Aufwieglung der Bevölkerung. 6
    Es gilt heute als weitgehend gesichert, dass Charles IX. in der Bartholomäusnacht den Befehl gab, die Anführer der Hugenotten zu töten, die man beschuldigte, eine Verschwörung gegen ihn zu planen. 7 Er hatte jedoch zu keiner Zeit angeordnet, auch deren Familien und Gefolgsleute zu beseitigen, und die Ereignisse haben sich dann so unheilvoll verselbstständigt, um auf diese schreckliche Weise zu eskalieren.
    Unklar bleibt jedoch, warum der König überhaupt an eine Verschwörung glaubte. Die Hugenotten befanden sich anlässlich der Hochzeit mit ihren Frauen und Kindern in der Stadt, und es scheint nur schwer vorstellbar, dass sie ihre Familien in dieser Situation der Gefahr eines Kampfes ausgesetzt hätten.
    Im Roman wird die Annahme einer Verschwörung durch die Figur von Philippe de Ronsard erklärt. Obwohl seine Person fiktiv ist, entspricht es den wahren Begebenheiten, dass Spanien zu jener Zeit über eines der bedeutungsvollsten und am weitesten verzweigten Netze von Spionen und Informanten in Europa verfügte. Während meiner Recherchen stieß ich auf einen Bericht des spanischen Botschafters, den dieser 1572 für seinen Nachfolger verfasste und der dies deutlich zeigt. Alava, der sich auch im Roman wiederfindet, beschreibt darin nicht nur genauestens das Netzwerk der spanischen Informanten, sondern gibt auch Ratschläge, wen man zusätzlich dafür gewinnen sollte und wie viel Geld man bestimmten Leuten zu zahlen hätte. Er berichtet außer dem über die besonderen Schwierigkeiten, die für die Spione in Frankreich bestanden, da der Hof dort ständig umherzog. 8
    Auch Frankreich verfügte in ähnlicher Weise über Spione und Informanten, die innen- wie außenpolitisch ständig tätig waren. Übrigens war Catherine de Medici tatsächlich bekannt dafür, dass sie gerne junge Hofdamen für ihre Spitzeldienste
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