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Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht
Autoren: Random House
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Scheiterhaufen bewahre, du Hexe«, sagte er. Er war im Begriff, den Arm zu heben, als er plötzlich herumfuhr.
    Ein Schatten war lautlos auf der Schwelle aufgetaucht. Eine Gestalt sprang auf ihn zu, während ein Degen durch die Luft flirrte. Ronsard stieß einen erstickten Aufschrei aus, als sich die Waffe auch schon in seine Brust bohrte. Er stürzte tot zu Boden.
    Madeleine blickte entsetzt zu Nicolas, der seinen Degen aus dem Körper zog. Er war weiß wie eine Wand.
    »Er hat behauptet, dass die Hugenotten den Tod des Königs planen«, stieß sie hervor.
    »Ich habe es mitgehört … Sie werden uns alle töten«, sagte Nicolas voller Grauen. »Wir müssen Coligny und die anderen warnen.«
    Trappelnde Schritte waren zu hören. Sie fuhren beide herum, als sich die in der Wandbemalung verdeckte Tür öffnete. Es war Fôlle. »Schnell, die Königinmutter hat den großen Ausgang genommen, weil sie mit dem König das Kabinett verlassen hat …« Entgeistert blieben die Augen der Zwergin an der Leiche hängen. »Oh!«
    Madeleines Blick hatte für einen kurzen Moment ebenfalls den Toten gestreift. Erst jetzt fiel ihr sein Umhang auf – er war schwarz, und die Aufschläge waren mit dunkelblauem Samt eingefasst. Er war es. Ihr Herz raste noch immer. Doch dann wandte sie den Kopf zu Fôlle. »Wo ist die Königinmutter jetzt?«, fragte sie drängend.
    »In ihren Gemächern. Komm!«
    Madeleine drehte sich aufgelöst zu Nicolas. »Geh und warne Coligny. Ich komme nach, sobald ich mit der Königinmutter gesprochen habe. Vielleicht ist es noch nicht zu spät.«
    Er drückte ihr einen harten Kuss auf die Lippen, bevor er losrannte.
    Madeleine hastete hinter Fôlle her. Die Wachen ließen sie über all passieren, doch im Vorzimmer stellte sich ihnen ihre Hofdame entgegen. »Es tut mir leid, Ihre Majestät wünscht nicht gestört zu werden«, sagte sie zu Fôlle.
    Madeleine stieß sie zur Seite und riss die Tür auf.
    »Wachen!«
    Die Medici stand am Fenster. Fast schien es, als hätte sie den Lärm auf ihrer Türschwelle kaum vernommen. Madeleine spürte, wie sie von zwei Wachen gepackt wurde.
    »Nein, lasst sie!«
    Die Königinmutter hatte sich zu ihr gewandt. Madeleine erschrak, als sie sie erblickte. Die Medici schien um Jahre gealtert. Tiefe Falten zogen sich durch ihr Gesicht, und der Blick ihrer unterhöhlten Augen wirkte erschöpft und resigniert.
    Beschwörend trat Madeleine auf sie zu. »Euer Majestät, Ihr müsst mich anhören. Der Traum, von dem ich Euch erzählt habe, er wird Wirklichkeit werden. Ihr müsst es verhindern! Nur Ihr könnt das!«, flehte sie.
    Die Medici sah sie ausdruckslos an. »Es liegt nicht mehr in meiner Macht. Es gibt eine Verschwörung gegen den König. Einer der Hugenotten hat es selbst bezeugt!«
    »Aber das stimmt nicht«, widersprach Madeleine ihr verzweifelt. »Der Mann, der das behauptet hat – Philippe de Ronsard – ist kein Hugenotte, sondern ein Spion der Spanier!«
    »Der Spion, den wir nie fassen konnten?« Kurz schien Leben in die Augen der Königinmutter zurückzukehren. In diesem Moment war der laute Glockenschlag des Kirchturms zu hören. Die Medici zuckte zusammen. Erneut versank sie in Apathie. »Es ist zu spät!«, sagte sie.
    »Bitte! Versucht es wenigstens …« Tränen liefen über Madeleines Wangen.
    Die Medici schüttelte müde den Kopf. »Hörst du den Glocken schlag? Das ist das Zeichen. Alles ist bereits in die Wege geleitet.« Ihr Blick glitt aus dem Fenster – teilnahmslos schweifte er in die Weite, als würde sie nicht einmal mehr wahrnehmen, dass Madeleine noch im Raum war. »Sie alle werden sterben, und viel leicht ist es auch besser so. Es würde nur immer wieder und wieder Krieg geben!«, fügte die Königinmutter hinzu.
    Schaudernd blickte Madeleine sie an. Sie werden alle sterben. Nicolas! Coligny!
    Sie erkannte, dass die Königinmutter ihr nicht mehr würde helfen können, und rannte verzweifelt aus dem Raum, die Treppen hinunter auf den Hof. Reihen von Garden sammelten sich dort. Im Schein der Fackeln sah Madeleine die weiße Armbinde, die sie trugen. Zum Tor würde sie nicht mehr hinauskommen. Sie betete, dass Nicolas es noch geschafft hatte. Atemlos blieb sie stehen. Dann fiel ihr der geheime Ausgang ein, durch den sie mit Lebrun einmal das Schloss verlassen hatte. Sie rannte erneut los. Die Wache dort ließ sie passieren, als sie behauptete, einen wichtigen Auftrag von Lebrun zu haben. Das Mondlicht erhellte die Straßen, und es war seltsam still – wie
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