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Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht
Autoren: Random House
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dann.
    »Madeleine!«
    Sie schwieg. Eine dunkle Angst kroch langsam ihren Rücken hoch. Sie erinnerte sich, wie sie in ihrem Traum nach ihm gerufen hatte. Voller Verzweiflung, während sie an Sterbenden und Kämpfenden vorbeigelaufen war. Der Gedanke, dass Nicolas etwas geschehen könnte, ließ sie um Beherrschung ringen. Sie musste etwas tun, irgendetwas, das all diese schrecklichen Dinge noch aufhalten konnte.
    »Ich werde mit der Königinmutter sprechen. Sie ist die Einzige, die noch etwas tun kann. Ich werde ihr erzählen, dass meine Vision, mein Traum dabei ist, Wirklichkeit zu werden. Sie wird mir glauben«, meinte sie entschlossen.
    »Es ist viel zu gefährlich, noch einmal in den Louvre zu gehen«, sagte Nicolas, doch dann sah er ihren Blick. »Ich werde dich begleiten.«
    Er zog sich um, damit man ihn nicht als Hugenotte erkannte, und sie begaben sich auf Umwegen in der Dunkelheit zum Louvre. Unterwegs bemerkten sie, dass auch in den Straßen um den Palast herum verstärkt Wachen patrouillierten. Am Tor hatten sie Mühe, überhaupt eingelassen zu werden. Schließlich erkannte eine der Wachen Madeleine und ließ sie beide durch.
    Sie hasteten trotz der späten Stunde zu Fôlle. »Du musst mir helfen. Ich muss mit der Königinmutter sprechen. Es ist dringend. Viele Menschen könnten sterben.« Madeleine erzählte der Zwergin von ihrem Traum.
    Fôlles Gesicht wurde ernst. »Sie sind alle seit Stunden im Rat, der am Abend plötzlich einberufen wurde. Die Königinmutter, die Prinzen und noch einige andere Herren …«, erklärte die Zwergin. »Ich werde dir helfen. Es gibt einen geheimen Ausgang aus den Kabinettsräumen, eine Seitentür, die die Königinmutter immer benutzt, weil sie auf diesem Weg schneller zu ihren Privatgemächern kommt. Dort kannst du mit ihr reden, sobald sie herauskommt.« Sie wandte den Kopf zu Nicolas. »Aber ich kann Euch nicht beide an den Wachen vorbeischleusen.«
    Nicolas nickte. »Ich werde mich zu Henri de Navarre begeben und ihn warnen, dass er auf keinen Fall das Schloss verlassen soll.«
    Madeleine folgte Fôlle durch verwinkelte Gänge und schmale Flure. Sie begegneten nur wenigen Wachen, die keine Fragen stellten, da ihnen die Zwergin nur zu vertraut war. Schließlich erreichten sie über eine verborgene Tür eine Flucht von fensterlosen Gemächern, die ineinander übergingen und zu der besagten Seitentür des Kabinetts führten.
    »Es kann dauern«, meinte Fôlle, die sie in einem Bereich des Vorzimmers warten ließ, von dem aus man sie nicht durch die geöffnete Kabinettstür sehen konnte. »Viel Glück!«
    »Danke!« Unruhig ging Madeleine einige Schritte auf und ab, als sie allein war, und legte sich die richtigen Worte zurecht. Die Minuten kamen ihr wie Stunden vor. Sie ließ sich auf einen Schemel nieder, nur um sogleich wieder aufzustehen. Endlos schien die Zeit, bis zu dem Moment, als sie das leise Klacken der Tür zum Kabinett hörte. Im selben Augenblick tauchte auf der Schwelle die Gestalt eines Mannes auf. Ungläubig blickte er Madeleine an.
    »Sieh einer an!«, sagte er dann. Er zog langsam seinen Degen. Es war Ronsard.
    Madeleine wich entsetzt zurück.
    Er hatte die Tür hinter sich geschlossen und kam langsam auf sie zu. »Was tust du hier?«, fragte er.
    »Was tut Ihr hier?«, erwiderte sie tonlos. Ihr Blick glitt zu der anderen Tür, die noch geöffnet war, doch Ronsard hatte sich ihr mit der Waffe in den Weg gestellt, sodass sie nicht an ihm vorbeikommen würde.
    Er lächelte leicht, während er mit gezogenem Degen weiter auf sie zukam. »Liegt das nicht auf der Hand? Ich habe den König gerade vor einer Verschwörung gewarnt und ihm erzählt, dass sein Leben in Gefahr ist. Er konnte es kaum fassen, dass seine neuen Freunde, die Protestanten, nach dem Attentat auf den Admiral vorhaben, ihn zu töten. Doch da ich einer von ihnen bin, hat er mir schließlich geglaubt«, sagte er samtig.
    Sie war wie versteinert. Der König und die Königinmutter wussten nicht, dass er ein Spion der Spanier war, fiel ihr ein. Wenn er ihnen von einer Verschwörung erzählt hatte, würden sie ihm glauben, weil sie ihn noch immer für einen Hugenotten hielten.
    Die Degenspitze war kaum mehr als einen halben Schritt von ihrer Brust entfernt. Sie versuchte in Todesangst weiter zurückzuweichen, aber an ihrem Rücken war die Wand. Ihr Herz raste.
    Ronsards Gesicht hatte einen harten Zug angenommen. »Du solltest mir dankbar sein, dass ich dich jetzt töten werde und dich damit vor dem
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