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Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman

Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman

Titel: Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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er ihr die Lösung genannt: Sie muss eine Deutsche finden, die Tubai heiratet, und diese Frau muss bereit sein, vor den Behörden aufzutreten und zu beschwören, dass sie Tubai liebt und für ihn sorgen wird, wenn er keine Arbeit hat. Nur wenn sie die Behörden überzeugen kann, dass es keine Scheinehe ist, werden diese Tubai erlauben, in der Stadt zu bleiben und hier zu arbeiten.
    Und wie soll man einen Mann heiraten, der seine Identität durcheinandergebracht hat? Auch dafür weiß Oswald Rat. Die Heiratswilligen sollen nach Dänemark fahren und dort heiraten. Dort ist das Standesamt nicht so streng und verlangt viel weniger Unterlagen als die deutschen Behörden. Wenn der Mann einen Ausweis und eine Aufenthaltsgenehmigung vorlegen kann, können die zwei auf dänischem Boden noch am selben Tag Mann und Frau werden.
    Als Mendy sich Tubai zuwendet, spricht sie in zuversichtlichem Ton. »Mach dir keine Sorgen. Ich werde eine Lösung finden. Leg dich schlafen. Ich muss noch ein bisschen nachdenken.«
    Zum Nachdenken verkriecht Mendy sich ins Bett und zieht den Vorhang zu. Tubai würde so gern die letzte Nacht in ihrer Nähe verbringen, aber er wagt nicht, sich zu ihr zu legen. Ohne sich auszuziehen, wirft er sich auf das Sofa, findet aber genauso wenigSchlaf wie seine Zimmergenossin. Beide wälzen sich hin und her und seufzen, als befänden sie sich in einem Wettkampf der Schlaflosigkeit.
    Es vergeht eine Ewigkeit, bis Tubai in einen Albtraum gleitet. Auf einmal befindet er sich an einem Ort, der fremd und verlassen ist. Als er über eine bröckelnde Mauer steigt, erstreckt sich unerwartet eine Wildnis vor ihm. In der Ferne grasen Stiere und Mammuts, und es scheint, als wären sie hier zu Hause. Tubai hat Durst und macht sich auf die Suche nach einem Fluss. Aber der Fluss ist gelb und schlammig. Und jetzt kommen die wilden Tiere auch noch auf ihn zu. Sie senken die Hörner und heben die Stoßzähne. Wohin soll er flüchten? Die Tiere bilden eine breit gefächerte Front, sodass sie alle Fluchtwege abschneiden. Er versteckt sich hinter einem jungen Baum, weiß aber, dass ihn die tonnenschweren Tiere trotzdem zermalmen werden. Er macht sich ganz klein und hofft, dass sie ihn übersehen. Vielleicht wollen sie ja nur Wasser trinken. Aber ein Mammut mit riesigen Stoßzähnen kommt direkt auf ihn zu. Es streckt ihm den Rüssel entgegen und berührt seinen Arm. Er stößt einen Schrei aus …
    Um ihn herum ist alles dunkel. Doch er spürt tatsächlich eine Berührung an seinem Arm.
    »Bist du das, Mendy?« Er greift nach der fremden Hand und hofft, dass sie nicht gleich wieder zurückgezogen wird.
    »Willst du mich heiraten?«, fragt die schattenhafte schlanke Figur, die sich auf das Sofa gesetzt hat.
    »Heiraten?« Tubai glaubt, er träume jetzt erst recht.»Du bist ein Sonnenstrahl, ich bin nur ein Staubkorn. Wie sollen wir heiraten können?«
    »Red keinen Quatsch«, befiehlt der Schatten. »Ich hab einen deutschen Pass. Ich bin Deutsche. Wenn ich dich heirate, ist dein Aufenthaltsproblem hier gelöst. Willigst du ein oder nicht?«
    Tubai zögert. Dann fragt er vorsichtig: »Liebst du mich denn?«
    »Darum geht es nicht. Es geht um dein Bleiberecht.«
    »Ich hab’s geahnt. Du liebst mich nicht«, sagt er enttäuscht. Er lockert den Griff seiner Hände, doch ganz will er nicht loslassen.
    »Das habe ich nicht gesagt«, sagt die vertraute Stimme.
    »Nein?«
    »Nein.«
    »Aha«, macht der Mann. Plötzlich streckt er die Hände aus, zieht Mendy im Dunkel zu sich auf die Couch und stürzt sich auf sie wie ein Ertrinkender. Sie wehrt sich und schlägt um sich. Aber ihre Fäuste sind für Tubai wie Watte. Er küsst sie, drückt sie fest an sich und streichelt sie, bis sie ganz weich wird und schmilzt.
    Zwei Tage später weiß Tubai, wie die Ausländerbehörde zu ihrer Entscheidung kam. Sein Anwalt hat Einsicht in seine Akte bekommen.
    Vor einem Monat hat ein Chinese namens Lin Yaonan den Asylsuchenden Zhao Tubai bei der Ausländerbehörde angezeigt. Er informierte die Behörde, dass Tubai Schwarzarbeit im Chinarestaurant Strahlende Perle in Berlin geleistet habe. Außerdem heiße Tubai in Wirklichkeit gar nicht Tubai, sondern Tudong. Und der echte Tubai sei vier Jahre älter und lebe in China.
    Nach sieben Jahren der Prüfung war die Behörde eigentlich zu der Entscheidung gekommen, Tubai Asyl zu gewähren. Aber jetzt sieht alles ganz anders aus. Man bittet die chinesische Botschaft um Amtshilfe, und durch eine Verkettung
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