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Das Mädchen aus der Pearl Street

Das Mädchen aus der Pearl Street

Titel: Das Mädchen aus der Pearl Street
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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herauszusuchen.
    „Danke“, sagte sie, „aber ich glaube, ich bin zu müde, Cy. Ich gehe mit Mam nach Hause.“
    Cy betrachtete sie besorgt. „Sie sehen wirklich müde aus. Abgekämpft und — geschlagen. Was ist denn los mit Ihnen?“
    „Nichts, gar nichts.“ Sie zwang sich zu einem ausweichenden Lächeln.
    „Also gut“, sagte er und war auch schon verschwunden.
    Die Liebe ist eine schmerzvolle Angelegenheit, philosophierte Kitty, und sie fühlte sich sehr verloren. Von ganzem Herzen wünschte sie, an Cys kleiner Festlichkeit teilnehmen zu können, aber sie spürte, daß es besser wäre, es nicht zu tun. Herzen brachen nicht, das wußte sie. Man konnte sie verletzen, und sie wurden auch durch immer neue Wunden nicht weniger empfindsam. Aber wenn man sie in Ruhe ließ, dann konnten sie mit der Zeit vernarben; auch das war ihr bekannt. Und außerdem war ihr nun klargeworden, daß hier in der Pearl Street ihre Zukunft lag. Es war nicht jene Zukunft, auf die sie all die Jahre gehofft und wonach sie gestrebt hatte, mit eigener Wohnung und Auto und Eleganz, aber hier konnte sie dazu helfen, die einzige Welt, die ihr je gehört hatte, etwas besser und schöner zu gestalten, und am Ende, das fühlte sie, sollte sie darin mehr Befriedigung finden als in schicken Kleidern, einer neuen Lippenstift -tönung oder einer vornehmen Adresse. Piccolo hatte ihr geholfen, ihren Weg zu erkennen, aber er selbst würde nun aus ihrem Leben verschwinden. Hin und wieder würde er vielleicht dem Gemeindehaus einen Besuch abstatten, wenn er auf Urlaub in der Stadt weilte, und wenn sie Glück hatte, wenn sie zur rechten Zeit auch hier war, ja, vielleicht konnte sie hoffen, daß er sie eines Tages mit andern Augen betrachten würde und in ihr nicht mehr entweder Dannys Schwester oder Deans alte Liebe sah, sondern sie selbst als Menschen, als Persönlichkeit. Wenn das Schicksal ihr je dieses Geschenk zuteil werden lassen wollte, dann mußte sie dazu bereit sein. Piccolo sollte in ihr jene Reife finden, die Clovis Hart und Cy bereits erreicht hatten!
    Erst als Kitty die Haustür aufschloß, begann Mutter zu sprechen.
    „Das war ein schöner Abend; überhaupt, Katherine, dieser ganze Sommer hat es gut mit uns gemeint.“
    Kitty lächelte. „Am Anfang erschien er uns nicht gar so rosig!“
    „Nein. Aber alles hat sich geändert, gebessert, nur--“, sie maß die Tochter mit einem wissenden Blick, „nur du hast Kummer.“
    „Aber Mutter! Wie kommst du denn darauf? Mir geht es glänzend!“
    Mutter lächelte schwach. „Glaubst du vielleicht, ich ahne nichts? Denkst du, ich habe keine Augen? Du tust mir von Herzen leid, Katherine, aber du wirst dich durchbeißen und darüber hinwegkommen. Du bist ein so gutes Kind.“ Sie tätschelte Kittys Schulter. „Nun gehe ich zu Bett. Laß die Tür unverschlossen für Thomas und Danny, ja?“
    Kitty nickte. Sie hörte Mutter die Treppe hinauf gehen, und dann klappte oben die Schlafzimmertür. Sie holte sich eine Flasche Coca-Cola aus dem Kühlschrank und setzte sich damit hinaus auf die Veranda. Der Vollmond tauchte die Pearl Street in seinen Silberschein, und in diesem Licht wirkten die Häuser auf der anderen Straßenseite beinahe stattlich. Aber dann knipste jemand drüben bei den Bianchis das Licht an und zerstörte damit die Illusion. Unbarmherzig offenbarte sich die Wand mit billiger himbeerbonbonfarbener Tapete und die Löcher in den Fenstern. Entschlossen ging Kitty in ihr eigenes Wohnzimmer und zündete eine der neuen Lampen an. Die weiche, indirekte Beleuchtung schimmerte sanft auf den Bezügen der geschmackvoll aufeinander abgetönten Polsterbezüge und dem diskreten Streifenmuster der Tapete. Kitty fühlte sich gleich wohler. Sie ließ das Licht an, als sie wieder auf ihren Sitz auf der obersten Verandastufe zurückkehrte.
    „Hier hast du dich also verkrochen!“ hörte sie jemanden sagen und erkannte Piccolo am Fuß der Treppe. Kitty fuhr hoch.
    „Ich — liebe Güte, hast du mich aber erschreckt. Suchst du Danny? Er ist auf Cys Fest.“
    „Ich will nicht zu Danny. Wie kommt es, daß du nicht mit den andern feierst?“
    „Ich bin müde.“
    „Ich dachte, du würdest niemals ermüden!“ Seine Stimme klang zornig, und sie wußte nicht, warum.
    „Nun“, verteidigte sie sich, „vielleicht hatte ich keine Lust.“
    „Wieso? Weil Dean nicht dabei ist?“
    „Es ist gemein von dir, darauf anzuspielen.“
    „Hin und wieder habe ich auch einen gemeinen Zug“, sagte er mit einem
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